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Kultur: Schmetterlinge im Rauch

Niederlausitz statt Nippon: „Madame Butterfly“ an der Dresdner Semperoper

In Zeiten, wo die Menschen noch an den Zorn von Urgewalten glaubten, hätten die Dresdner vermutlich längst ihren Opernintendanten Christoph Albrecht als Schuldigen der Flutkatastrophe ausgemacht. Der hatte sich nämlich vermessen, seine zwölfjährige Regentschaft ausgerechnet mit der „Götterdämmerung“ abzuschließen – einer Oper, in der am Ende der Rhein über die Ufer tritt. Diese dreiste Huldigung an die Konkurrenz konnte die dicht am Opernhaus vorbeifließende Elbe nicht ungestraft lassen und sorgte umgehend dafür, dass die Vollendung des Dresdner „Rings“ erst am 31.August dieses Jahres, unter der Ägide von Albrechts Nachfolger Gerd Uecker stattfinden wird. Und als wäre das noch nicht Strafe genug, sorgten dieselben Urgewalten auch noch dafür, dass Albrecht seinen Abschied mit Giacomo Puccinis „Madame Butterfly“ nehmen musste – einer aus dem Vorjahr verschobenen Produktion, die durch den Tod des eigentlich als Regisseur vorgesehenen Ernst-Theo Richter ebenfalls unter einem unglücklichen Stern stand.

Das ist nun allerdings ungerecht: Denn auch wenn Albrecht nach dem Zerwürfnis mit Starregisseur Peter Konwitschny über dessen Skandalinszenierung der „Czardasfürstin“ zusehends glückloser agierte, war es dem 1991 angetretenen Opernchef doch über Jahre gelungen, die Semperoper zu einem Hort ambitionierten Musiktheaters zu machen: mit Regisseuren wie eben Peter Konwitschny, mit Robert Carsen und Christoph Loy und mit einer Stückauswahl, die nicht nur auf touristenfreundliche Cash-Cows setzte, sondern das Publikum auch zur Auseinandersetzung mit Stücken wie Bernd Alois Zimmermanns „Soldaten“ und Aribert Reimanns „Lear“ zwang.

Doch die Götter kennen in ihrer Strafe kein Maß und verfügten, dass Albrechts Abschied mit der vermutlich schwächsten Produktion seiner gesamten Amtszeit stattzufinden habe. Wann etwa hätte Dresdens Staatskapelle, die glorreiche „Wunderharfe“, je so stumpf in den Streichern, so klapprig in den Bläsersoli geklungen? Wann etwa hätte in diesem Haus, das zwar im Gagenwettbewerb um die großen Stars nie mithielt, aber immer Gelegenheit bot, gute Sänger zu entdecken, wann also hätte hier eine dermaßen verfehlte Besetzung auf der Bühne gestanden?

Eine sicherlich tüchtige Wagner-Sängerin (die Amerikanerin Stephanie Friede), die weder Stil noch Technik für italienische Oper mitbringt, ein ungeschlachter Tenor (Mikhail Davidoff), grotesk fehlbesetzte Nebenrollen (wie der Hochklasse-Beckmesser Hans Joachim Ketelsen als stimmlich hilfloser Sharpless), und zu alledem ein Dirigent (der neue Karlsruher Generalmusikdirektor Anthony Bramall), der in Puccini nicht mehr zu sehen scheint als konturlos wabernde Sentimentalität.

Das alles ist schon schlimm genug, doch auch die junge Regisseurin Annette Jahns ist mit dem traurigen Schicksal des Fräulein Schmetterling ziemlich überfordert. Freilich machen so gut wie allen Opernregisseure mit gutem Grund einen weiten Bogen um die „Butterfly“: Versuche, dem Klischee trippelnder Geishas zu entkommen, scheitern bei dieser auf Gedeih und Verderb im Japan der Jahrhundertwende festgezurrten Geschichte fast immer– übrig bleibt nur, das Rührstück einigermaßen geschmackvoll über die Bühne zu bringen.

Bei diesen Bemühungen bewegt sich das atmosphärisch einigermaßen gelungene Bühnenbild von Hartmut Schörghofer immerhin im Mittelfeld der internationalen Butterfly-Liga: Auf Japan-Nippes wie Sake-Schälchen und Bodenvasen mit Kirschblütenzweigen wird in Dresden zum Glück verzichtet, drei Reispapierwände sorgen für einen schlichten Rahmen, die zu einer Riesenwoge aufgebauschte Reismatte schafft ein untergründiges Gefühl der Verunsicherung. Doch in diesem asketischen Raum passiert leider kaum etwas Bemerkenswertes: Reichlich unbeholfen klettern die Darsteller auf drei Steingarten-Felsblöcken im Vordergrund herum, Geishas wedeln mit ihren Fächern, und Filmprojektionen – die allerdings eher an die Niederlausitz als an Nippon erinnern – sorgen für optischen Zuckerguss.

Die Semperoper verzichtet in diesem Jahr übrigens auf ihre Sommerpause, um die im Februar eingeschobene Schließzeit zur Beseitigung der Hochwasserschäden zu kompensieren. Und Christoph Albrecht geht als neuer Chef der Bayerischen Staatsoper nach München. Dort gibt es wenigstens keine Hochwasserkatastrophen.

Weitere Aufführungen 22. und 24.7. Informationen im Internet: www. semperoper.de

Jörg Königsdorf

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