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An der Werkbank: Jenny Paris

© Doris Spiekermann-Klaas

Schmuckdesign: Ins Material verliebt

Gold ist weich und die reine Magie, Silber hat einen starken Charakter: Ein Besuch bei der Berliner Schmuckdesignerin Jenny Paris

Sägen, hämmern, stauchen, löten, biegen, feilen, polieren – die Kunst der Schmuckherstellung vollzieht sich im Wechsel von Härte und Feingefühl. Die Formung einer Künstlerpersönlichkeit zuweilen auch, wenn man auf das Leben der Goldschmiedin Jenny Paris blickt. Sogar der Schmuck, den sie trägt, zeugt von dieser Dualität. An ihren Ohren schlichte Perlen, um den Hals eine zarte Perlenkette, an den Fingern massive Silberringe mit flachen Quadern aus Aquamarin und Rubin. Die 53-Jährige strahlt Offenheit und Sanftmut aus, gemischt mit Eleganz. In ihren Händen steckt die Kraft, Metalle und Steine in Kostbarkeiten zu verwandeln.

Die Fähigkeit, sich künstlerisch auszudrücken, wurde ihr in die Wiege gelegt. Die Mutter Helga Paris wurde als Fotografin während der DDR-Zeit berühmt, der Vater Roland Paris mit seiner Malerei. Auch der Bruder Robert wurde Fotograf. Jenny Paris hat sich für beides nicht interessiert. Dafür hat es ihr schon als 12-Jähriger die Arbeit mit Zangen, Draht und Perlen angetan. Als sie zwei Jahre später bei einem Goldschmied mit Silberdraht schmieden darf, ist der jüngste Spross der Künstlerfamilie in seinem Element.

Den Blick fürs Schöne verdankt sie ihrer DDR-Biografie

In ihrem Ladenatelier in Wilmersdorf entwickelt Jenny Paris von der Natur inspirierte Kreationen. Dabei entstehen Ohrringe, die mit ihren kleinen Rubinsteinen an hängende Johannisbeeren erinnern. Das handwerkliche Können verdankt sie ihrer Ausbildung an der Kunsthochschule Burg Giebichenstein in Halle. Den Blick für das Schöne und ausgefallene Detail verdankt sie dem Leben in der DDR. „Wenn du begrenzten Raum hast, auch in der Lebensqualität Einschränkung erfährst – vom farbprächtigen Alltag kann man ja im Osten nicht gerade sprechen –, dann reizt es, etwas dagegen zu setzen“, sagt Paris.

Das solle aber nicht heißen, dass damals alles grau gewesen sei. Schließlich habe der Mensch, so die Schmuckdesignerin, auch wieder etwas geschaffen wider die Uniformität des Sozialismus geschaffen. So wie die Anarcho-Modegruppen CCD (Chic, Charmant und Dauerhaft) und später auch Allerleirauh, denen sie angehörte und die ihre erste Punk-Modenschau 1984 in der Wohnung der Mutter in Prenzlauer Berg veranstalteten.

Ihre Spezialität: Haarnadeln

Für Jenny Paris gibt es kein gut oder schlecht. Für sie kommt es darauf an, was aus der Situation zu machen ist. Mit dem Fall der Mauer verlor die Künstlerin in gewisser Hinsicht ihre Heimat, wie sie sagt. Doch sie gewann die Möglichkeit, fremde Kulturen zu erleben und deren Besonderheiten in ihre Arbeit zu integrieren. In Bolivien entdeckte sie bei der indigenen Bevölkerung Gewandnadeln, in Spanien war sie davon angetan, wie die Frauen ihre Haare hochstecken. Beides verband die Schmuckdesignerin zu einer Haarnadel, die als ihre Spezialität gilt. In ihren ausgefallenen Entwürfen arbeitet sie als Bildhauerin en miniature. Vögel, Korallen, Blätter oder Federn sind kunstvoll in edles Metall gegossen und mit funkelnden Steinen versehen, um das Haar zu bekrönen.

Wenn Jenny Paris von Metall spricht, scheint es, als gäbe es nichts Lebendigeres: „Gold zum Beispiel hat eine Weichheit. Das ist Magie. Silber hat einen starken Charakter und lässt sich wunderbar schmieden.“ Dabei hat sie ein Funkeln in den Augen, als seien es selbst Edelsteine – zwei Aquamarine. Unter ihrer Hand wandelt sich ein Ring vom bloßen Accessoire zum Objekt, in dem das Wesen des Materials mit einem künstlerischen Ausdruck verschmilzt. Als Träger muss dafür jemand gefunden werden, der mit dem Stück wiederum seine eigene Persönlichkeit modisch ausdrücken kann. „Auch wenn ich vorher noch nicht weiß, für wen der Schmuck entsteht, so weiß ich doch, dass er den Klang, die richtige Person finden wird“, so Paris.

2015 zog sie von Mallorca zurück nach Berlin

Das gelingt der Goldschmiedin immer wieder, denn sie ist Menschen sehr zugewandt. Das einsame Werkeln ist ihre Sache nicht. Aufgewachsen unter schöpferischen Menschen, hat Jenny Paris sowohl Bereicherung als auch Defizite erlebt. „Künstlerfamilie kann bedeuten, dass den Eltern eigentlich die Kunst am nächsten ist.“ Wenn die Liebe in Bilder oder Fotografien fließt, bleibt anderes auf der Strecke. Das war nicht immer einfach für sie. Umso stärker ist ihr Bestreben, sich den Menschen innerlich verbunden zu fühlen, Freundschaften zu pflegen und nicht allein in der Arbeit aufzugehen.

Nach vielen Jahren auf Mallorca zog es Paris 2015 zurück nach Berlin. In der Ferne stellte sie fest, wie wichtig ihr Pünktlichkeit und Gewissenhaftigkeit bei der Arbeit sind. „Der Alltag in Spanien hat mir oft gezeigt, wie deutsch ich doch geprägt bin“, sagt sie. Sie lebt nun im Westen der Stadt und empfindet hier eine heimatliche Vertrautheit. Der noch vorhandene Alt-Berliner Flair in Wilmersdorf erinnert sie an ihre Zeit im Osten.

Zu den größten Überraschungen gehörte, dass sie unweit ihres Ladens in der Pariser Straße auf familiäre Wurzeln stieß. Dort lebte einst der Großonkel, der Karikaturist und Bildhauer Ronald Paris, der im Zweiten Weltkrieg fiel. Als sie seine ehemalige Wohnung aufsuchte, überreichte ihr der jetzige Bewohner noch eingelagerte Kisten des Bildhauers mit den für ihn typischen Kleinskulpturen im Stil des Art déco. Beim Anblick der schelmischen Gestalten aus der Commedia dell'arte wurde der Großnichte plötzlich klar, woher ihre Affinität zum skulpturalen Arbeiten kommt.

Ronald Paris’ Werke zeigt nun dauerhaft in einem Kabinett in ihrem Laden. Für die Großnichte Jenny ist diese Geste ein Ausdruck der Verbundenheit, die Würdigung eines wiederentdeckten Seelenverwandten. Vielleicht, so Paris, inspiriere sie der erstaunliche Fund irgendwann zu noch mehr skulpturalem Schaffen.

Pariser Straße 7, Charlottenburg, Di – Fr 11 – 19 Uhr, Sa 11 – 15 Uhr

Ina Hildebrandt

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