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Kultur: Schmutzige Wäsche

Henning Klüver über den Streit um die Reinigung des Florentiner Davids Feucht oder trocken, darum geht die ganze Aufregung: Welches ist die beste Methode, um eine fast 500 Jahre alte Marmorstatue zu reinigen? In zweifach destilliertes Wasser getränkte Gaze oder Rehhaare, Radiergummi und Wattestäbchen?

Henning Klüver über den Streit

um die Reinigung des Florentiner Davids

Feucht oder trocken, darum geht die ganze Aufregung: Welches ist die beste Methode, um eine fast 500 Jahre alte Marmorstatue zu reinigen? In zweifach destilliertes Wasser getränkte Gaze oder Rehhaare, Radiergummi und Wattestäbchen? Die Diskussion würde kaum mehr als eine Hand voll Fachleute interessieren, handelte es sich nicht um den David, eine Arbeit des jungen Michelangelo und die neben dem Brüsseler Manneken Pis berühmteste männliche Nacktstatue der Welt. Am 8. September 1504 hatten die Florentiner Stadtväter sie aufstellen lassen, und schon nach wenigen Wochen war sie das Gesprächsthema der Künstler und Gebildeten in ganz Italien.

Jetzt spricht die Welt über sie, vor allem die angelsächsische, und schlägt die Hände über dem Kopf zusammen: „Die schmutzige Arbeit, den David zu reinigen“ überschrieb der „Herald Tribune“ einen Artikel über die Restaurierung der Statue, die seit 1873 in der eigens für sie geschaffenen Tribuna des AccademiaMuseum von Florenz steht, während die meisten Touristen die Kopie am Originalstandplatz vor dem Palazzo Vecchio bestaunen. Eine Gruppe von Kunsthistorikern, unter der Federführung von James Beck (der sich bereits der Restaurierung der Michelangelo-Fresken in der Sixtinischen Kapelle widersetzt hatte) fordert die Italiener auf, die Statue nicht weiter zu behandeln, bevor eine internationale Gruppe von Ratgebern zusammen gekommen sei. Und Antonio Paolucci, der oberste Denkmalschützer von Florenz und frühere Kulturgüterminister, konterte beleidigt: „In Sachen Restaurierung macht uns Italienern keiner in der Welt etwas vor.“

Er mag ja Recht haben, aber immerhin hatte sich bereits im März die mit der technischen Ausführung beauftragte Restauratorin zurückgezogen, weil sie befürchtete, dass bei der Feuchtreinigung die Oberfläche des Marmors zu uniform gereinigt werden würde, und er gleichsam zu einem Gipsabdruck seiner selbst werden könnte. Die Direktorin der Accademia, Franca Falletti, behauptet dagegen, dass die „Nervaturen“ des Marmors nicht beseitigt werden würden, weil man die Gazeauflagen mit bidestilliertem Wasser je nach Oberflächenabschnitt verschieden handhaben will. Die Arbeiten, deren Kosten (165 Millionen Euro) ganz von der niederländischen Ars Longa Stichting getragen werden, ruhen zurzeit, um den Sommertourismus nicht zu behindern. Im September sollen sie wieder aufgenommen und bis Ostern 2004 abgeschlossen sein.

Dann möchte man 500 Jahre David feiern. Dafür ist er vor dem Eingriff so gründlich untersucht worden wie kaum ein Kunstwerk zuvor. Jahrelang wurde er vermessen, geprüft, der Marmor analysiert. Die Geschichte dieses Davids ist von Verletzungen, Verschmutzungen und brutalen Säuberungen gekennzeichnet. Wegen starker Verschmutzungen des an vielen Stellen porösen Marmors versuchte man im 19. Jahrhundert mehrfach, sie zu restaurierten – unter anderem durch Wäsche mit einem aggressiven Chlorsäurekonzentrat (1843). Mit dem Ergebnis, dass die Oberfläche noch anfälliger für Verschmutzungen und teilweise Zersetzungen (etwa am linken Fuß) wurde. Jetzt drohen Sulfate in das Innere des Marmors zu drängen und ihn zu zersetzen. Reinigung tut also Not. Nur – feucht oder trocken?

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