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Kultur: Schnee von morgen

Türkische Reaktionen auf Friedenspreis für Pamuk

Dass Orhan Pamuk im Oktober den Friedenspreis des Deutschen Buchhandels erhält, freut in der Türkei längst nicht jeden. Zwar ist Pamuk der wichtigste Autor der türkischen Gegenwartsliteratur. Aber für viele nationalstolze Türken ist er auch ein Verräter. Trotzdem schimmert in den Reaktionen auf die Preisbekanntgabe auch Stolz durch. Die konservative Tageszeitung „Hürriyet“ etwa, die Pamuk erst vor kurzem angriff, berichtete am Donnerstag anerkennend, Pamuk erhalte den „deutschen Nobelpreis“.

Während der deutsche Außenminister Joschka Fischer den Schriftsteller nun als „mutigen Intellektuellen und überzeugten Europäer“ würdigt, hatten Kritiker in der Türkei Pamuk vorgeworfen, mit seinen Äußerungen zur Armenierfrage die Verkaufszahlen seines jüngsten Romans „Schnee“ in Westeuropa in die Höhe treiben und vielleicht auch seine Chancen auf den echten Nobelpreis erhöhen zu wollen. Pamuks Gegner zeigten sich deshalb eher unbeeindruckt von der Nachricht. Die rechtsnationalistische Partei MHP erklärte, die Auszeichnung eines Mannes, der den Türken Völkermord unterstelle, trage nicht zum Frieden bei. Außerdem könne „keine gute Absicht“ dahinter stecken, dass ausgerechnet die Deutschen, die im Bundestag gerade eine Armenien-Resolution verabschiedet hätten, einen Mann wie Pamuk ehrten, so MHP-Sprecher Mehmet Sandir. Selbst Sandir räumt jedoch ein, Pamuk sei „vielleicht ein guter Schriftsteller“.

Weniger zurückhaltend fallen andere Urteile aus. In türkischen Internetforen wird der Schriftsteller als „Hund“ beschimpft, der sein Land bei den Europäern anschwärze und dafür nun auch noch ausgezeichnet werde. Auch Yasar Kemal, der bisher einzige andere Friedenspreisträger aus der Türkei, gilt in nationalistischen Kreisen als unbequemer Zeitgenosse, der es an Patriotismus fehlen lässt.

Intellektuelle und Freunde Pamuks feiern den Preis für den Schriftsteller dagegen als Anerkennung für die türkische Literatur insgesamt. „Ich freue mich sehr“, sagte der Medienwissenschaftler Kürsat Bumin über die Auszeichnung. Christoph K. Neumann, deutscher Historiker in Istanbul und Übersetzer von „Schnee“, hofft auf eine Signalwirkung des Preises. „Vielleicht gelingt es dank Orhan Pamuk und anderen ja, dass die türkische Literatur zuallererst als ,Literatur’ und erst dann als ,türkisch’ wahrgenommen wird“, sagte er.

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