zum Hauptinhalt

Kultur: Schneewitzchen

Ruckediru, Blut ist im Schuh.Ach nee, das war ein anderes Märchen.

Ruckediru, Blut ist im Schuh.Ach nee, das war ein anderes Märchen.Oder doch nicht? Am Ende der Urfassung ihres "Schneewittchen" haben die Gebrüder Grimm der bösen Stiefmutter tatsächlich dieses grausiges Schicksal zugedacht: "...da waren eiserne Pantoffeln im Feuer glühend gemacht, die mußte sie anziehen und darin tanzen, bis sie sich zu todt getanzt hatte." Herzlichen Dank an meine Erziehungsberechtigten, daß sie mir damals diese Version erspart haben.Nicht so die Geschwister Pfister: Ihre "Schneewittchen"-Version im Hebbel-Theater rückt mit der ganzen Wahrheit heraus - weshalb die Show mit dem Titel "The voice of Snow-white" auch unbedingt erst ab 18 Jahren zu empfehlen ist.Menschen, deren Erwartungshorizont in Sachen Politische Korrektheit, Stil und Geschmack noch nicht betoniert ist, haben wenig zu lachen bei diesem Programm.

Denn wenn sich Ursli, Toni und Fräulein Schneider vom unnachahmlichen Walter Schmidinger das Märchen vorlesen lassen, bleiben - zur Verwirrung des Premierenpublikums - die Schenkel ungeklopft.Statt der krachledernern Humor-Hose ist hier große Abendgarderobe angesagt, bestickt mit dezent glitzernden Pointen-Pailletten.Ungewohnt für Augen, die sich an die allüberall kopierte MTV-Schnellschnitt-Technik gewöhnt haben.

Leise, leise erklingt die freche Weise: Wie in slow motion bewegen sich die Pfisters als Pantomimen über die Bühne, während Schmidingers Stimme aus dem Off rezitiert, weichen jeder Gelegenheit zum vorhersehbaren Kalauer aus, lassen sich Zeit, um die Atmosphäre immer wieder durch den unpassendsten Schlager zur unpassendsten Zeit platzen zu lassen, gleiten sanft in die zweite Story des Abends, den Kampf des alternden Hollywoodstars Joan Crawford gegen ihre hübsche Tochter Christina, hinüber und zurück.Ein subtiles Spiel mit Metaebenen haben Christoph Marti und Johannes Steinbrücker da inszeniert, das langsam anläuft, aber in seinen neunzig Minuten dann aber doch mehr bietet als nur Spaß für promovierte Poststrukturalisten.

Drei riesige Schränke stehen auf der Hebbel-Theater-Szene.In einem wohnt die gute Königin, im anderen hausen die Zwerge, im dritten haben die Bühnenbildner Christian Sedelmayer und Stephan Prattes Joan Crawford ihr Boudoir eingerichtet.Wunderschön anzuschauende Deko-Kisten sind das, Musterbeispiele sublimster Stillosigkeit.Ebenso wie die Kostüme von Arne Bäss.Walt Disneys Zeichentrickmärchen verbinden sich hier mit den Kitsch-Ikonen von Pierre & Gilles zu einer Mega-Trash-Mischung.

Bei dieser Klischee-Zitatenschlacht stimmt einfach alles: Das taubetropfte Lilienbouquet vor dem sprechenden Spiegel, die Gemütlichkeits-Accessoires des Zwergenhaushalts, das Trainingsjacken-Puschen-Outfit der kleinen Männer, der pastellfarbene Ballsaal mit dem weichgezeichneten Kerzenschimmer für den Showdown - und natürlich auch die süffigen Song-Arrangements, die Johannes Roloff für seine fünfzehnköpfige Streicher-Combo schrieb.

Wenn die Neue Behutsamkeit den wiedererkennungssüchtigen Pfister-Fan auch verstören mag, ein wenig von den liebgewonnenen Kunstfiguren der Comedy-Programme lassen die Geschwister natürlich doch durchschimmern: Da ist das schitzerdytsche Eröffnungslied vom "Schneewittli und den sieben Zwergli", da fällt Fräulein Scheider als Schneewittchen unvermittelt zurück ins Bulgarische - und Ursli Pfister, na der ist sowieso immer Ursli, auch wenn er die böse Stiefmutter alias Joan Crawford mimt.

Da die Vorstellungen im Februar und März schon weitgehend ausverkauft sind, spielen die Geschwister "Snow-White" zusätzlich vom 13.- 25.4.im Hebbel-Theater.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false