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Kultur: Schnellschüsse aus der Spielzeugkiste

Unter sechzig, sagte er, sollte niemand eine Polaroid zur Hand nehmen. Da war Walker Evans immerhin schon 71 und hatte sein halbes Leben mit einer 35-Millimeter-Leica fotografiert.

Von Gregor Dotzauer

Unter sechzig, sagte er, sollte niemand eine Polaroid zur Hand nehmen. Da war Walker Evans immerhin schon 71 und hatte sein halbes Leben mit einer 35-Millimeter-Leica fotografiert. Dabei entstanden auch die Farmerfotos aus Alabama, die zusammen mit dem Text von James Agee unter dem Titel "Let us now praise famous men" weltberühmt wurden. Die Polaroid-Kamera, eine SX-70, betrachtete er als Spielzeug - aber mit dem Vorsatz, etwas Ernsthaftes damit anzustellen. Das Ergebnis, nicht lange vor seinem Tod zwischen September 1973 und November 1974 entstanden, waren rund 2650 Aufnahmen, von denen ein Bruchteil jetzt in einem handlichen Scalo-Band zu bewundern ist: Americana, wie er sie zeitlebens fotografierte, nur dass das Material mit seinen Unschärfen und verwaschenen Farben seinen klaren Vorstellungen in die Quere kam. Man sieht Dinge, Häuser und Menschen und sein Faible für Schriftzeichen, das in diesen späten Aufnahmen in der Art, wie er Wort- und Lautfolgen fragmentierte, schon Tendenzen zur visuellen Poesie zeigt. Und links oben porträtiert er sich selbst.

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