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Marlis Petersen, 2019.

© Monika Skolimowska/dpa

Schön, traurig, humorvoll: Das Ensemble Mini und Marlis Petersen bei Young Euro Classic

Große Werke in kleiner Besetzung – das ist die Spezialität des Ensemble Mini. Gemeinsam mit Marlis Petersen gelingt ihnen bei Young Euro Classic ein wunderbarer Musikabend.

Was macht eigentlich ein geglücktes Konzert aus? Es ermöglicht Kommunikation unter Fremden, es spricht an, öffnet und liefert nicht nur ab, was auf dem Programmzettel bereits angekündigt wurde. In diesem Sinne ist der Auftritt des Ensemble Mini bei Young Euro Classic im Konzerthaus reich an Aufschlüssen, die sich nicht nur das internationale Jugendorchestertreffen zu eigen machen sollte.

Eingesprungen für die Musikerinnen und Musiker aus Portugal, die pandemiebedingt nicht anreisen können, ist das Ensemble Mini die Formation der Stunde. Seit zehn Jahren belebt es eine Tradition, die einst Schönberg mit seinem Verein für musikalische Privataufführungen prägte: Große Werke bearbeitet für kleine Besetzungen, aufgeführt von Orchestersolisten – so entsteht ein intimer Hörrahmen, der Nähe und Nachvollziehen gleichermaßen ermöglichen kann. Und wenn der Dirigent sich dazu noch locker ans Publikum wendet, umso besser. Und Joolz Gale kann das.

Mit britischem Humor gelingt es ihm, etwas über die Arbeitsweise des Ensemble Mini und die brandneuen Bearbeitungen auf den Notenpulten zu vermitteln, ohne dabei in ehrfürchtige Erstarrung zu verfallen. Das ist hilfreich, denn Gales Miniversion von Mahlers „Totenfeier“, die der Komponist später zum 1. Satz seiner 2. Symphonie umgestaltete, funktioniert nur mit aktiv Zuhörenden. Die Trauermärsche und Momente überirdischer Schönheit wollen erkannt werden, weil sie hier nicht unmittelbar überwältigen. Musik nach menschlichem Maß.

Das verbindet die Sopranistin Marlis Petersen mit dem Ensemble Mini, zusammen musizieren sie eine Orchesterfassung von Richard Strauss Liederzyklus „Mädchenblumen“. Und hätte Petersen nicht zuvor ihre persönliche Sicht auf die verbal schwülen Gleichsetzungen von Frauen und blühenden Gewächsen geteilt, die unerhörte Schönheit dieser Lieder wäre wohl an manchem vorübergezogen.

So aber fragt der Dirigent erst nach, die Solistin öffnet ihr Herz und dann machen sich alle gemeinsam auf den Weg, umhüllt von Eberhard Klokes duftigem Orchestersatz.

Die Welt ist hörbar aus den Fugen

Ein Idealfall von Nähe, die ihren Höhepunkt in der Zugabe erreicht: Da singt Petersen abermals Strauss, „Ruhe, meine Seele!“ „Diese Zeiten sind gewaltig, bringen Herz und Hirn in Not“, klingt es dort unerwartet treffend, und Petersens Stimme durchmisst einen weiten Raum, wird überspült von der Orchesterwoge und taucht dann wie von innen leuchtend wieder auf.

Vor diesem bewegenden Finale spielt das Ensemble Mini Hindemiths Kammermusik Nr. 1, mit Hintersinn anmoderiert und Lust an knackiger Parodie gespielt. Die Welt ist hier hörbar aus den Fugen, doch sie hat ihren poetischen Kern noch nicht eingebüßt. Man muss ihn nur zu wecken wissen, darüber reden, das zeigt dieser Abend, kann dabei nicht schaden. Vielleicht sinkt dann der Altersdurchschnitt bei Young Euro Classic auch wieder und junge Menschen bekommen Lust auf das, was Gleichaltrige mit ihnen teilen wollen. Das wäre eine Basis für viele geglückte Konzerte.

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