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Kultur: Schöne der Nacht

Vier Porträtfotografen bei Kicken Berlin

Fotografen sehen sich gern auf der Straße um. Manche folgen den erspähten Modellen sogar bis ins Schlafzimmer. Andere lassen sie im Atelier posieren. Der Amerikaner Peter Hujar zum Beispiel: Mal bemüht er sich um eine Mrs. Vreeland, vielleicht weil ihn deren resigniertes Lächeln nicht mehr loslässt – vielleicht ist es auch nur der Kontrast zwischen dem Leopardenmuster ihres Kleides und dem gestreiften Sofa, der ihm so gut gefällt. Ein anderes Mal erfreut er sich am schwarzen Gewand und dem extravaganten Kopfschmuck eines Transvestiten, der zum Soloauftritt im Atelier allerdings eine bekümmerte Miene macht. Die Begegnungen fanden 1944 und 1983 in New York statt, wo Hujar 1987, erst 53 Jahre alt, an Aids starb.

Man könnte lang vor den acht Fotos von Hujar stehen bleiben, vor allem vor dem Selbstporträt mit schwarzem T-Shirt von 1976: ein schmales, ebenso waches wie verletzliches Gesicht. Oder vor dem fast privaten Bildnis Andy Warhols aus dem Jahr 1975. Doch die Ausstellung „Portrait Positions“ der Galerie Kicken bietet noch mehr, zum Beispiel Reminiszenzen des Niederländers Ed van der Elsken (1925–1990) an „Die Liebe in Saint Germain des Prés“, die berühmte Serie aus dem Unruhejahr 1956, sowie an seine Heimatstadt Amsterdam, wo Eleganz und gewöhnliches Leben einander von jeher verblüffend nahe kommen. Elsken war ein politisch sensibler Reisefotograf und ist mit fünf wunderbaren Arbeiten vertreten.

Fotografien des Schweden Christer Strömholm (1918–2002) bedecken dagegen gleich eine halbe Längswand. Die meisten sind Souvenirs aus der Welt der Pariser Transvestiten, die den Schweden in ihren Bann zogen. Eine andere Seite Strömholms eröffnet das Bild einer älteren Frau in Montmartre 1948. Das blasse, schmale Gesicht hebt sich hell gegen die dunkle Kappe und den Mantel ab, die Hände stecken in einem Muff. Sie mag vom Friedhof kommen, eine Trauernde, die im Gegensatz zu den leichtsinnigen, dem Fotografen Blick und Leib darbietenden Schönheiten der Nacht um die Vergänglichkeit des Lebens weiß. Vielleicht ist dieses Bild, schwarzweiß wie alle hier, die heimliche Ikone der Ausstellung.

Wahre Kostbarkeiten sind auch die fünf Arbeiten von Lisette Model (eigentlich Elise Stern). 1901 in Wien geboren, Schülerin bei Arnold Schönberg und Hanns Eisler, kam sie in Paris zur Fotografie und lebte von 1938 bis zu ihrem Tod im Jahr 1983 in New York. Ihre Porträts beeindruckend korpulenter Frauen am Strand von Nizza und Coney Island strahlen einen köstlichen Humor aus. Und auch beim Anblick einer gealterten Dame, die mit barockem Hut 1949 in einem Park von San Francisco pikiert ihre Umgebung mustert, wird kaum jemand ein Lächeln unterdrücken können. Das fotografische Œuvre von Lisette Model ist freilich viel breiter und hier zu Lande noch immer viel zu wenig bekannt. Auf dem Kunstmarkt werden die Originalprints längst zu Preisen ab 3000 Euro gehandelt.

Kicken Berlin, Linienstraße 161 a, bis 22. April, Dienstag bis Sonnabend 14–18 Uhr.

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