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Kultur: Schöne Römerin

Stunde der Schinken: die New Yorker Auktionen von Christie’s und Sotheby’s

Das Angebot der New Yorker Auktionen mit moderner Kunst war keineswegs einzigartig. Umso beeindruckender waren die Rekordpreise und glänzenden Ergebnisse für einige Topstücke. Wieder einmal staunte die Kunstwelt über den, wie es Christie’s Amerika-Chef Marc Porter nach der Auktion formulierte, „außerordentlichen Appetit der Sammler auf seltene Werke aus privaten Sammlungen“.

Von den neuen Preisrekorden überraschen die 48,8 Millionen Dollar (34,6 Mio. Euro) für die Matisse-Bronze „Nu de dos, 4 état“ am meisten. Dass diese mehr als zwanzig Jahre nach Matisses Tod in einer Auflage von zwölf Exemplaren gegossene Bronze teurer sein soll als Yves Saint Laurents edles Matisse-Blumenstillleben, der bisherige Rekordhalter, ist ein verwunderliches Marktsignal, auch wenn die Arbeit zur gefeierten Gruppe von Matisses vier „Backs“ gehört, von denen neun der vollständigen Sätze heute in Museen wie der Tate Gallery oder der Stuttgarter Staatsgalerie hängen. Aber nun kämpften fünf Bieter um das große, kraftvolle Relief, von denen sich Super-Dealer Larry Gagosian durchsetzte.

Aber seit das Jahr mit einem Giacometti-Rekord begann, liegen Skulpturen im Aufwind. Bei Christie’s waren in der Abendauktion unter 65 Losen zehn Skulpturen, darunter zwei von Henry Moore für 2,9 Mio. Dollar. Sotheby’s bot unter seinen 61 Losen elf Skulpturen an. Die kleine, 47 cm hohe Gruppe „Deux Négresses“ von 1908 wurde für 8,5 Millionen Dollar an einen Sammler expressionistischer Kunst zugeschlagen, ein Torso von Aristide Maillol, auf höchstens 700 000 Dollar taxiert, erzielte das Vierfache.

Weniger überraschend war der neue Spitzenpreis für eine der langhalsigen Schönen von Amedeo Modigliani. Die „Belle Romaine“ ist eine bekannte Marktgröße, Gemälde von Modigliani werden knapp, im Frühjahr erst brachte eine Skulptur des Künstlers in Paris einen Spitzenpreis von umgerechnet 52,6 Millionen Dollar. Die „Belle Romaine“ zeigt, was für eine stabile Anlage gesicherte und begehrte Kunst sein kann: 1987 kostete sie in Paris umgerechnet 7,2 Mio. Dollar, 1999 ersteigerte sie ein türkischer Banker in New York für 16,7 Mio. Dollar. Nun erzielte er 69 Mio. Dollar.

Ein anderer Auktionsrekord dieser Woche zeigt am besten, wie sehr die marodierenden internationalen Geldströme auf ihrer Suche nach Kunstbeute nun die bis zur Krise etablierten Geschmacksregeln durcheinanderbringen: Sir Lawrence Alma-Tademas Gemälde „Die Auffindung des Moses“, das man vor einer Weile noch unbekümmert als einen „Schinken“ abgetan hätte, war in Sotheby’s New Yorker Auktion mit Kunst des 19. Jahrhunderts mit drei bis fünf Millionen Dollar angesetzt und wurde für 36 Millionen Dollar verkauft – ein Preis, der alles, was bisher für vorimpressionistische Kunst des 19. Jahrhunderts bezahlt wurde, in den Schatten stellt und zeigt, dass sich in diesem lange vernachlässigtes Sammelgebiet etwas rührt. Matthias Thibaut

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