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Kultur: Schöner altern

„Ten Minutes Older“: eine Filmpremiere der American Academy

Sieben große Regisseure verwirklichen ihre Vorstellungen zum Thema „Zeit“. Jeweils zehn Minuten bleiben dafür dem Einzelnen in dem Film „Ten Minutes Older – The Trumpet“. Um 70 Minuten waren die Premierengäste im Kant-Kino mit Bildern von China bis Brasilien bereits anregend gealtert, als es zur Überraschung kam. Auch Volker Schlöndorffs Beitrag zur Fortsetzung des Projekts (Titel: „Ten Minutes Older – The Cello“) lief als deutsche Erstaufführung: In „Enlightenment“ (Erleuchtung) ist überdies Gary Smith, Chef der American Academy, als Sprecher des Philosophen Augustinus vertreten. Fast hypnotisch trägt er die Abhandlung über die Zeit zu einem brandenburgischen Bilderbogen vor. Von den Höhen des Geistes verlagerte sich die anschließende, von Academy-Fellow John Phillip Santos moderierte Diskussion zu den Abgründen des Menschlichen, als Wim Wenders bekannte, dass er wie sein Filmheld in der Episode „Twelve Miles to Trona“ in jungen Jahren fast an Drogenkeksen gestorben sei.

Die American Academy hatte Fellows und Filmschaffende ins Charlottenburger Kino geladen, um das Projekt von Aki Kaurismäki, Victor Erice, Werner Herzog, Jim Jarmusch, Wim Wenders, Spike Lee und Chen Kaige, das in Cannes uraufgeführt wurde und im Dezember in die Kinos kommt, erstmals in Deutschland vorzuführen. Der zweite Teil, „The Cello“, an dem neben Schlöndorff auch Bernardo Bertolucci, Jean-Luc Godard und Milos Forman mitwirken, war bereits auf den Filmfestspielen in Venedig zu sehen.

Sich auf zehn Minuten zu begrenzen, bedeutet bei allem Spaß eine Herausforderung. Wim Wenders gab in der Diskussion zu, dass er sich normalerweise als Gefangener des abendfüllenden Formats sieht: „Mir ist klar, dass meine Filme immer zu lang sind." Auch dieses Format habe er bis an die Grenze ausgeschöpft: 10 Minuten und 59 Sekunden dauert der Überlebenskampf des halluzinierenden Mannes in der weiten Wüste des amerikanischen Westens. Wie sein Filmheld wusste Wenders nicht, dass die Kekse, die er 1968 in einer Schwabinger Wohnung hungrig in sich hineinstopfte , nur für Erwachsene waren. „Ich aß ungefähr 50, einer hätte schon gereicht.“ Lange sah er keine Möglichkeit, dieses Erlebnis zu verfilmen, „weil es ziemlich frustig war, was das Kino psychedelisch zu bieten hatte“. Erst mit digitaler Technik konnte er die Bilder so gestalten, dass sie den Halluzinationen ähnelten. Neue Technologien auszuprobieren, war auch für Schlöndorff reizvoll. Die Bedeutung der Gegenwart und die Rätselhaftigkeit der Zeit betrachtet er aus Sicht der alten Stechmücke, die das Leben einer zeltenden Familie vor und nach der Wende betrachtet. Nach dem Aufglühen folgt die Ewigkeit.

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