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Kultur: Schöner Schein

Ein gewaltiger Boom und Millionen-Zuwanderungen aus Ost und West wurden dem Neuen Berlin kurz nach der Wende prophezeit.Für zwei der ehrgeizigen Projekte, für die in dieser Aufbruchjahren die Weichen gestellt wurden, zog man nun Zwischenbilanz: das Entwicklungsgebiet Alter Schlachthof an der Eldenaer Straße im Prenzlauer Berg sowie die "Oberbaum-City" auf dem Gelände der alten Narva-Glühlampenfabrik an der Warschauer Straße waren Thema der 42.

Ein gewaltiger Boom und Millionen-Zuwanderungen aus Ost und West wurden dem Neuen Berlin kurz nach der Wende prophezeit.Für zwei der ehrgeizigen Projekte, für die in dieser Aufbruchjahren die Weichen gestellt wurden, zog man nun Zwischenbilanz: das Entwicklungsgebiet Alter Schlachthof an der Eldenaer Straße im Prenzlauer Berg sowie die "Oberbaum-City" auf dem Gelände der alten Narva-Glühlampenfabrik an der Warschauer Straße waren Thema der 42.Berliner Architekturgespräche."Alte Hülle - Neues Innenleben" lautete das Motto der Veranstaltung, zu der Senatsbaudirektorin Barbara Jakubeit ins Internationale Design-Zentrum geladen hatte, das seit kurzem in einem der frisch sanierten Narva-Blöcke residiert.Die Projekte könnten gegensätzlicher kaum sein, nur ihre industrielle Vorgeschichte eint sie.Liegt das 50 Hektar große Schlachthof-Gelände beinahe isoliert am Nordrand des Friedrichshain, ist die nur fünf Hektar umfassende Oberbaum-City durch kompakte Baublocks bestimmt.Sie ist privatwirtschaftlich finanziert.Der Investor, die Münchner HVB-Projekte, leistete beim Projekt Oberbaum-City etwas mehr, als gemeinhin erwartet: Die Gebäude wurden entkernt, Infrastruktur- und Straßennetz privat erneuert.Auf 70 Millionen Mark beliefen sich die Mehrkosten der denkmalgerechten Sanierung.Am Ende steht die teuer erkaufte Synthese einer opulenten Industrie-Architektur mit neuer Nutzung.Diese aber ist eine Illusion.Von den kontaminierten Industriekathedralen des Narva-Werks ist nach der - bislang 650 Millionen Mark teuren - Sanierung nur noch wenig mehr als die Fassaden übrig.Dennoch ist das Ergebnis beeindruckend: Die Kulisse allein war das Opfer einer Total-Entkernung wert.

Weniger glänzend stellt sich die Zwischenbilanz für die Eldenaer Straße dar: Die Reaktivierung des riesigen, noch als Olympia-Standort in Angriff genommenen Areals erwies sich als planungspolitischer Kraftakt.Nach langwierigen Auseinandersetzungen um den denkmalgerechten Umgang und mehreren konzeptionellen Abwandlungen des Entwurfes wird nun eine abgespeckte Planung verwirklicht.Architekt Gernot Nalbach, der am Westrand des Geländes eine alte Vieh-Halle zum überdachten Marktplatz umbaut, sieht in der lahmenden Ökonomie Chancen: "Schlechte Zeiten sind eigentlich gute Zeiten; die Flaute bringt uns zum Nachdenken." Eine zunächst zum Abriß vorgesehene Industriehalle bleibt erhalten und zur Reihenhaus-artigen Nutzung umfunktioniert, indem in das breite Hallenschiff im sechs Meter Abstand Schotten eingefügt werden.Im Publikum schwankte die Reaktion auf diese Nutzungsvariante zwischen Staunen und Skepis.Doch angesichts fehlender Nachfrage nach Eigentumswohnungen im Geschoßbau könnten sich die Reihenhaus-Maisonettes als Alternative entpuppen.Die zu rigorosen Erhaltungsansprüche der Denkmalpfleger, so unisono die anwesenden Architekten und Investoren, drohten Umnutzungsprojekte oft gänzlich zum Scheitern zu bringen.Doch ebenso wichtig wie akzeptable Denkmalschutzauflagen sei unternehmerische Begeisterung für eine Immobilie.Bis die Ausgaben wieder erwirtschaftet sind, dauert es allerdings etwas länger.Trotz ausgesprochen knapper Gewinnspanne ist Gisbert Dreyer auch stolz auf die Oberbaum-City.Wäre der Kostenaufwand am Anfang zu ahnen gewesen, hätte man möglicherweise die Finger von der Immobilie gelassen.

FRANK PETER JÄGER

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