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Kultur: Schöner Scheitern

Julian Rosefeldts Etüden der Vergeblichkeit in der Galerie Arndt & Partner

Mit seiner Videoinstallation „The Soundmaker“ ist Julian Rosefeldt der geheime Titelgeber des gerade stattfindenden Berliner Klangkunstfestivals Sonambiente (bis 17. Juli). Die Doppelprojektion in der Akademie der Künste am Hanseatenweg, die auf der einen Seite einen Mann in seiner Wohnung beim Umräumen zeigt und ihn auf der Leinwand daneben seine eigene Handlung nachsynchronisieren lässt, ist der erste Teil seiner „Trilogie des Scheiterns“.

Teil drei, „The Perfectionist“, ist nun bei Arndt & Partner zu besichtigen. Wieder ist es eine Etüde der Vergeblichkeit, diesmal in drei Teilen. Thema ist der alte Traum vom Fliegen. Schaubühnen-Schauspieler Bruno Cathomas hockt als Pilot in der Kanzel, schaltet sinnlos auf Knöpfen herum, doch das Flugzeug hebt nicht ab. Auf der zweiten Leinwand legt er im Umkleideraum einen Fallschirm an, dieser entfaltet sich, und Cathomas zappelt in den verwickelten Seilen. Im dritten Teil baut er ein Bügelbrett in einem Büro auf, wirft eine Nebelmaschine an und schwebt auf dem Brett über den Wolken. Halb komisch, halb tragisch: ein Don Quichote der Gegenwart.

Was ist der Clou? Die Choreografie aus starrer Kameraeinstellung in der Mitte und synchronisiertem Schwenk auf beiden Seiten, das subtile Spiel mit Anwesenheit und Abwesenheit – jeder der drei „Perfektionisten“ verlässt zu unterschiedlichen Zeiten seine Position – und die musikalisch komponierte Tonspur aus Schalterklappern, Luftgebläse, Vogelzwitschern, Schritten und Turbinenlärm: Die Installationen des 1965 in München geborenen Künstlers sind technisch perfekt. Gedreht wird auf 16 Millimeter, nicht auf Video. „Auf Film drehen, das ist wie Malerei in der Kunst“, erklärt Rosefeldt – der Aufwand erfordert genaue Planung. Inhaltlich bedient er sich großer Vorbilder. Man denkt an Dürers „Melancholie“ und Caspar David Friedrichs Nebelbilder, Otto Lilienthals Flugversuche und Thomas Ostermeiers Arbeiten an der Schaubühne, für die Rosefeldt wiederholt Bühnenbilder geschaffen hat. Gleichzeitig surft er souverän zwischen Film und Musik, Theater und Kunst. Auf einem medienübergreifenden Festival wie „Sonambiente“ sind Rosefeldts Installationen am richtigen Platz.

Nach der „Trilogie des Scheiterns“ führte der nächste Weg in die Ferne: Auf Einladung der Bonner Biennale, des Festivals Lille 3000 sowie des Goethe-Instituts in Neu-Delhi hat sich Rosefeldt nach Indien begeben – und spiegelt in „Lonely Planet“, ebenfalls bei Arndt & Partner zu sehen und von der Galerie mitproduziert, die eigene Rolle als Tourist höchst hintergründig und ironisch. Ein Rucksacktourist (Rosefeldt selbst) mit Kopftuch und Shorts, im Gepäck wahrscheinlich der Jugend-Kultreiseführer „Lonely Planet“, wandert durchs wüstentrockene Land, setzt am Fluss über, begegnet dort Badenden, treibt durch Bahnhofstrubel, Straßenlärm, ein Callcenter und ein Bollywood-Filmstudio. Irgendwann sitzt die Kamera mitten in einem indischen Kino und blickt mit der Menge gebannt auf die Leinwand. Man sieht einen jungen Mann, einen Rucksacktouristen, auf dem Weg durch die Wüste ...

Das Spiel mit außen und innen, der Endlosloop und der überraschende Seitenwechsel sind Rosefeldts Spezialität. Man würde sich nicht wundern, wenn irgendwann auch die Trennlinie zum Zuschauer fällt, der bis dahin nur faszinierter Beobachter der Spiegelspiele auf der Leinwand ist. Reduziert auf Flachware, auf Filmstills, wie sie bei Arndt & Partner in 6er-Auflage zu haben sind, verliert seine Kunst. Man muss sich schon in die Zeitschleife begeben, um reisen oder fliegen zu lernen. Oder um einfach nur zu staunen.

Arndt & Partner Berlin, bis 22. Juni; Zimmerstraße 90 – 91, Dienstag bis Sonnabend 11 – 18 Uhr.

Christina Tilmann

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