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Kultur: Schreckgespenst Rezession: Stillhalten und aussitzen - Vom bösen Erwachen der Kleinaktionäre

Er ist nicht der typische Kleinanleger, aber zumindest einer, der im Jahr 2000 den Börsenzug nicht verpassen wollte. Also hat er die halbe Million, die ihm als Schmerzensgeld nach einem schweren Unfall zugesprochen wurde, in Aktien und Aktienfonds gesteckt.

Er ist nicht der typische Kleinanleger, aber zumindest einer, der im Jahr 2000 den Börsenzug nicht verpassen wollte. Also hat er die halbe Million, die ihm als Schmerzensgeld nach einem schweren Unfall zugesprochen wurde, in Aktien und Aktienfonds gesteckt. Nicht in "Zocker-Papiere", sondern in solide Werte. Jetzt ist der Mann pleite: Die katastrophale Talfahrt der Kurse hat sein Geld weitgehend aufgezehrt. Andere haben die Rücklagen für die fällige Steuervorauszahlung in SAP-, in Telekom-Aktien oder in einen Aktien-Fonds gesteckt. Jetzt ist das Minus so groß, dass ein Kredit aufgenommen werden muss, um die Steuern zahlen zu können.

Das sind nur zwei fiktive Beispiele von Hunderttausenden, vielleicht von Millionen. Die Deutschen sind zwar noch kein Volk von Aktionären, aber sie sind auf dem Weg dorthin. Der Börsengang der Telekom und der rasante Aufschwung der Kurse bis Sommer vergangenen Jahres haben 12,7 Millionen Menschen hierzulande zu Aktionären werden lassen, doppelt so viele wie 1997.

Sie haben Telekom, Siemens, Deutsche Bank, aber eben auch EM.TV, Intershop oder D.Logistics gekauft. Weil sie dabei sein wollten beim angeblichen Börsenhoch ohne Ende. Bis heute haben sie allein bei den hoch gelobten High-Tech-, Internet- oder Biotechnologieaktien rund 350 Milliarden DM verloren. "Da wurde zum Teil ohne Hirn investiert, vom Sparbuch direkt in den Neuen Markt", sagt selbst Ulrich Hocker, Hauptgeschäftsführer der Deutschen Schutzgemeinschaft für Wertpapierbesitz (DSW). Reißerische Schlagzeilen in Anlegermagazinen wurden für bare Münze genommen, die Risiken einer Aktienanlage ignoriert. "Am Neuen Markt hat mancher alles auf eine Aktie gesetzt", schüttelt Reinhild Keitel von der Schutzgemeinschaft der Kleinaktionäre (SdK) den Kopf. Viele haben nachgekauft.

Schadensersatzklagen prüfen

Zum Beispiel Telekom. Warum auch nicht? Schließlich hat die Deutsche Bank noch am 8. Januar das Papier als eine der besten Aktien bezeichnet. Heute ist der Katzenjammer groß, auch wenn es am Freitag ein wenig aufwärts ging. Hocker bleibt skeptisch: "Das Vertrauen in den Neuen Markt ist auf Jahre hin zerstört. Frühestens Ende des Jahres sehen wir Land." Dort, wo möglicherweise kriminelle Machenschaften im Spiel waren, prüfen DSW und SdK Schadensersatzklagen. Wenn überhaupt springt für die Anleger aber erst in Jahren etwas heraus.

Die Handlungsalternativen sind begrenzt. Von Glück können die reden, die auf das Geld nicht angewiesen sind. "Ich kaufe und verkaufe für meine Kunden derzeit nichts. Wir halten still", sagt ein Anlageberater. Er handelt nur dort, wo Kunden Aktien auf Kredit erstanden haben. Der wird jetzt abgelöst, indem Papiere mit besonders deutlichen Verlusten verkauft werden. Am Neuen Markt rät Reinhild Keitel zum Ende mit Schrecken. "Die Verluste beim Verkauf sind schmerzhaft. Aber die hohen Kurse der Vergangenheit sehen wir nicht mehr." Für alle anderen heißt die Devise wohl: Aussitzen, Werte halten und auf bessere Zeiten hoffen. Die Mutigen kaufen schon wieder. Schließlich haben wir Einstiegskurse, sagen manche Experten. Das aber haben einige schon vor Wochen gesagt.

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