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SCHREIB Waren: Das Land mit der langen Nase

Steffen Richter über Pinocchio und das italienische Imageproblem

In Neapel brennt der Müll, die Camorra kassiert fleißig Schutzgeld. In Rom lädt eine Universität den Papst aus, im Fernsehen marodieren Fußball-Hooligans. Und während Einkommen und Lebensqualität der Italiener sinken, schanzt die politische Klasse sich Privilegien zu. Exportschlager des italienischen Buchmarkt sind – wen wundert’s – Krimis. Keine Frage, die Marke „Made in Italy“ hat an Strahlkraft verloren. Das tut weh. Höchste Zeit, das Image zu polieren.

Dazu eignet sich vielleicht ein „hölzernes Bengele“. So hieß – in einer frühen Übersetzung – ein Büchlein von Carlo Collodi, das als „Pinocchios Abenteuer“ weltweit zum Bestseller wurde. Collodi, Journalist, Schriftsteller und Aktivist der italienischen Einigungsbewegung, hatte „Pinocchio“ 1881 in der Kinderzeitung „Giornale per i bambini“ als Fortsetzungsgeschichte publiziert. Gewiss, es geht um jede Menge sprechende Tiere und Abenteuer. Es geht aber auch um den schmalen Grat zwischen Gut und Böse, um Verführbarkeit, Freundschaft und Tod. Vielleicht ist dieser letztlich hochsympathische Pinocchio („Gut essen, schlafen, lustig sein und mich von früh bis spät draußen herumtreiben.“) sogar eine Art Spiegel der Nation. Das zumindest vermutet Alfonso Berardinelli, Essayist und Literaturwissenschaftler, der am 25.1. (18:30 Uhr) an die Humboldt-Universität kommt und über Tugenden und Laster Italiens – Pinocchio als Metapher spricht (Dorotheenstr. 24, Raum 1.101, Mitte, Anmeldung: antwort.iicberlino@esteri.it oder Tel. 2699410). Anschließend gibt es die wohl beste Pinocchio-Verfilmung von Luigi Comencini, mit Gina Lollobrigida und Mario Adorf (1971, Originalversion mit englischen Untertiteln).

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