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SCHREIB Waren: Ein Verleger tröstet seine Diva

Wie sieht es bei uns eigentlich aus, wenn die Klimaerwärmung Realität geworden ist? Friedrich von Borries hat einen realistischen Blick in die nähere Zukunft geworfen, wobei ein recht gespenstisches Szenario herausgekommen ist.

Wie sieht es bei uns eigentlich aus, wenn die Klimaerwärmung Realität geworden ist? Friedrich von Borries hat einen realistischen Blick in die nähere Zukunft geworfen, wobei ein recht gespenstisches Szenario herausgekommen ist. Die Reichen werden in abgeriegelten Kapseln leben, während die Armen auf schwimmende Inseln warten. In fiktionalen Porträts stellt von Borries die Protagonisten dieser Kapselwelt vor: den Architekten, den Flüchtling, den Sonnenlenker. Er präsentiert „Klimakapseln“ am Donnerstag, den 8.7., im Edition-Suhrkamp-Laden (Linienstraße 127, 20 Uhr). Man kann über den Suhrkamp-Verlag sagen, was man will. Mit diesem Ort ist ihm ein kleiner Coup gelungen, der genau das in Berlin neu entstehen lässt, was viele mit dem Wegzug von Frankfurt schon verloren geglaubt hatten. Einen Suhrkamp-Geist. Gegenwartsbelletristik, Diskussion gesellschaftlich relevanter Themen, und zwischendurch werden immer wieder Schätze aus dem reichen Erbe präsentiert, die vor dem nüchternen Hintergrund des geschichtslosen Ortes (zumindest keine Suhrkamp-Geschichte!) um so heller funkeln. Bei freiem Eintritt und nur für beschränkte Zeit – das ist lupenreine Suhrkamp-Hipness: demokratisch und elitär zugleich.

Am morgigen Mittwoch wird um 20 Uhr zum Beispiel der Ernst-Jandl-Film „Vom Öffnen und Schließen des Mundes – Frankfurter Poetikvorlesungen 1984/85“ gezeigt, der Jandl beim Sprechen, Pfeifen, Wangenaufplustern, Grimassieren, also bei der Darbietung seiner „visuellen lippengedichte“ zeigt. Bei geschlossenem Mund wird etwa der „beitrag zur neuen innerlichkeit“ zu Gehör gebracht.

Da wir gerade bei Institutionen sind: Am gleichen Tag dürfen ebenfalls um 20 Uhr Suhrkamps größte Diven im Literaturforum im Brechthaus (Chausseestraße 125) noch einmal ihre Stimme erheben. Der geldgierige, eifersüchtige, launenhafte, skandalhungrige und möglicherweise auch geniale Thomas Bernhard schreibt Bettel- und Empörungsbriefe an Siegfried Unseld, der – und das ist wohl das Überraschende an dem famosen Briefwechsel – nicht divenhaft, sondern tröstend, umsorgend, bewundernd, mahnend, streng, nachgiebig, aber vor allem mit Engelsgeduld 25 Jahre lang schreibt. Michael Rotschopf liest Passagen und Thomas Wild unterhält sich mit dem Herausgeber Raimund Fellinger.

Was dem Stimmenimitator Thomas Bernhard wohl zu folgender Tagung eingefallen wäre? Titel: „Bibel und Literatur“. Beschreibung: „Die Nachwuchstagung zielt sowohl auf eine Konzertierung als auch auf eine Neujustierung der Forschung zum Verhältnis von Bibel und Literatur im Lichte der neueren Theorieentwicklung. Dabei sollen über die Diskussion von Problemfeldern wie Intertextualität, Medialität, Diskurspolitik, Säkularisierung, Normativität, Historizität und Hermeneutik ...“ Im Fortgang dieses stolzen Nachwuchssatzes treiben einem noch „eminente method(olog)ische Schwierigkeiten“ entgegen. Was auch immer: Zentrum für Literatur- und Kulturforschung, (8. - 10. 7, Schützenstr. 18., Programm unter www.zfl.gwz-berlin.de).

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