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SCHREIB Waren: Heraklit im Maßanzug

Steffen Richter über literarische Karrieren

Wie haben die das damals nur gemacht, der Kleist, der Büchner und der Kafka? Ohne Long- und Shortlist, Stipendien, Schreibschulen und Verlagswerbung? Wer es heute mit Literatur halbwegs ernst meint, dem werden die Koordinaten des Betriebs beizeiten in die Biografie gestanzt. Nehmen wir Martin Becker, Jahrgang 1982. Becker hat am Deutschen Literaturinstitut Leipzig studiert, war Stipendiat der Autorenwerkstatt im Berliner Literarischen Colloquium und im Sommer dieses Jahres Teilnehmer beim Klagenfurter Bachmannpreis. Das sind die höheren Weihen des Betriebs. Vermutlich verdient er sie, wenn eine so kapitale Autorin wie Terézia Mora Beckers Debüt-Erzählungen „Ein schönes Leben“ (Luchterhand) für originell, überraschend, frech, turbulent, klug, drastisch und warmherzig hält. Beckers groteske Geschichten aus der Provinz lassen Heraklit von Ephesos auftreten, der sich vom Herrenausstatter einen neuen Anzug schneidern lässt, auch Kafkas Odradek und Becketts Murphy kommen vor. Zu hören am 4.10. (20 Uhr 30) im Buchhändlerkeller (Carmerstr.1, Charlottenburg).

Anderes Beispiel: Larissa Boehning. Ein „großer Wurf“, meldet der Verlag. Der Debütroman der 36-Jährigen heißt „Lichte Stoffe“ (Eichborn) und erzählt von der Suche nach einem Großvater, der am Ende des Zweiten Weltkriegs als schwarzer amerikanischer Besatzungssoldat nach Deutschland kam. Und es geht um die seltsamen Wege eines Gemäldes von Edgar Degas, das von den Nazis in Thüringen versteckt und Beutekunst wird. Larissa Boehning, die Teilnehmerin des Berliner Open Mike war, wie Becker die Autorenwerkstatt des LCB durchlaufen hat und sich beispielsweise des Alfred-Döblin-Stipendiums der Akademie der Künste erfreute, liest am 6.10. (21 Uhr) im Roten Salon der Volksbühne (Rosa-Luxemburg-Platz, Mitte).

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