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SCHREIB Waren: Im Dauerlauf die Mauer rauf

Steffen Richter stellt erleichtert fest, dass die DDR in guten Händen ist

Kürzlich, bei der Leipziger Buchmesse, da war sie wieder mal mächtig in Form, die alte DDR. Die Gänge waren bei Lokalhelden wie Ex-Tatort-Kommissar Peter Sodann oder Kabarettist Wolfgang Stumph zuverlässig verstopft. Auch aus der Chiffre „68“, im Westen bis zur Erschöpfung ausdiskutiert, kann man im Osten noch Funken schlagen.

Vielleicht kommen jetzt, fast eine Generation nach dem Ende der DDR, jene „Väterbücher“ auf uns zu, die in der Bundesrepublik seit den späten 70ern en vogue waren. Bücher also, in denen Söhne und Töchter ihre in die politischen Zeitläufte verstrickten Väter fragen, wie es so weit kommen konnte. Siehe Florian Havemann. Oder jetzt Irina Liebmann, die für „Wäre es schön? Es wäre schön!“ (Berlin Verlag) den Leipziger Sachbuchpreis bekommen hat. Man weiß heute nur wenig von Liebmanns Vater Rudolf Herrnstadt. Bestenfalls, dass er Mitbegründer der „Berliner Zeitung“ und Chefredakteur des „Neuen Deutschland“ war. Weil er sich gegen die Verselbständigung des SED-Parteiapparats und Ulbrichts Personenkult wandte, wurde Herrnstadt und dem damaligen Minister für Staatssicherheit, Wilhelm Zaisser, die Gründung einer Putsch-Plattform unterstellt. Beim großen Reinemachen nach dem 17. Juni 1953 wurde Herrnstadt als Archivar in die Provinz abgeschoben. Er war aber nicht nur Antifaschist, kommunistischer Kader und Opfer des Stalinismus – er stammte aus einer jüdischen Familie, die von den Nazis umgebracht wurde. Am 31. 3. (19 Uhr 30) stellt Irina Liebmann ihr Buch im Jüdischen Museum vor (Lindenstr. 9-14, Kreuzberg).

Ganz in der Nähe von Herrnstadts oberschlesischem Geburtsort Gleiwitz, in Kattowitz, ist Henryk Bereska geboren. Er war einer, der Leute davon überzeugte, dass man auch im Sitzen Holzhacken kann – das sei keine Bequemlichkeit, sondern eine Frage der Arbeitsökonomie. Die brauchte er auch als produktivster Übersetzer polnischer Literatur. Wer aber so unsichere Kantonisten wie Tadeusz Rozewicz oder Slawomir Mrozek übersetzte, wurde natürlich von der Stasi überwacht. Die mitlesenden Spitzel könnten auch der Grund sein, warum Bereskas Tagebücher den politischen Alltag eher verzeichnen als kommentieren. Nicht weit von seinem Refugium im märkischen Kolberg, im Peter-Huchel-Haus (Wilhelmshorst, Hubertusweg 41, zu erreichen mit der Regionalbahn), laden Hilde Bereska und Ines Geipel heute (20 Uhr) zur Lesung aus Bereskas „Kolberger Heften“ (Edition Büchergilde).

Bange muss einem um die DDR also nicht sein. Zumal sich neuerdings auch junge Westdeutsche um sie kümmern: Jan Böttcher, geboren 1973 in Lüneburg, erzählt in „Nachglühen“ (Rowohlt) von einem niedersächsischen Grenzdorf an der Elbe, in dem 17 Jahre nach der Wende verschüttete Ost-Geschichte zum Vorschein kommt. Hören kann man das am 29.3. (21 Uhr) im Roten Salon der Volksbühne (Rosa-Luxemburg-Platz, Mitte). Bemerkenswert an dieser respektablen Spätform der DDR ist, dass die Zeiten der Verklärung wohl vorbei sind.

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