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SCHREIB-Waren: Literatur für Freunde

Andreas Schäfer empfiehlt einen Streifzug durch Berliner Salons.

Eine der schönsten Literaturveranstaltungsneugründungen Berlins kommt ursprünglich aus Köln, heißt „Literarischer Salon“ und findet im Haus der Kulturen der Welt statt. Das Besondere: Schriftsteller laden Schriftstellerkollegen ein, für die sie sich begeistern. Schon seit drei Jahren bitten Guy Helminger und Navid Kermani in den Kölner Stadtgarten, seit letzten Herbst öffnet der Salon auch in Berlin. An der Seite Kermanis empfängt Terézia Mora internationale Gäste, die nicht nur aus eigenen Werken vortragen, sondern auch Bücher anderer Autoren mitbringen, von denen sie selbst begeistert sind. Mehr als um die Lesung des aktuellen Buches geht es darum, einen Blick in den Schreibkosmos des Gastes zu werfen, weshalb dieser nach der Pause auch ihm wichtige Musik oder Filme und all das andere präsentieren kann, das ihm beim Schreiben hilft und ihn befeuert – oder auch lähmt.

Heute kommt György Dragomán (John-Foster-Dulles-Allee 10, 20 Uhr), über dessen letzten Roman „Der weiße König“ alle, die ihn gelesen haben, sich vor Begeisterung überschlugen. Dragomán wurde 1973 als Angehöriger einer ungarischen Minderheit in Rumänien geboren und wanderte 1988 mit seinen Eltern nach Ungarn aus. In achtzehn Episoden erzählt „Der weiße König“ vom Ceausescu-Rumänien der achtziger Jahre, aus Sicht des Kindes Dzátás, dessen Vater zur Zwangsarbeit deportiert wurde, nachdem er einen kritischen Aufruf unterzeichnet hatte. Ausgelöst vom Verschwinden des Vaters, verwandelt sich Dzátás Kinderwelt in einen Raum der Gewalt, den der Junge erst hilflos als Opfer erlebt, um die Regeln des Terrors bald zu durchschauen und selbst anzuwenden.

Eine der interessantesten Veranstaltungsort-Neugründungen der letzten Jahre nennt sich Lettrétage, ein „Literaturhaus für Junge“ in der Nähe des Kreuzberger Viktoriaparks, das 2006 von Moritz Malsch ins Leben gerufen wurde. Allein die verwunschene Gründerzeitvilla, in der der Verein residiert – halb herrschaftlich, halb Villa Kunterbunt – ist einen Besuch wert. Während in dem Salon mit dem erhabenen Blick über den Bergmannkiez abends Lesungen stattfinden, fungieren die umliegenden Zimmer als Büros für freischaffende Autoren, Journalisten, Lektoren und Grafiker. So haben sich Autorennetzwerke wie das S3 gebildet und wurde – ausgehend von einer Lesung mit Texten von Juan Carlos Onetti – im eigenen Verlag Lettrétage das Buch „Covering Onetti“ herausgebracht, in der junge Autoren Texte des Altmeisters um- und weitergeschrieben haben.

Am Samstag, den 16.1. findet in der Lettrétage (Methfesselstraße 23–25, 20 Uhr) die Buchpremiere von Leonhard Loreks Debüt „daneben liegen“ statt, einem Band mit Prosa und Gedichten. Lorek, Jahrgang 1958, ist zwar nicht mehr ganz so jung, dafür legendär. In den Achtzigern gehörte er zu den wichtigsten Exponenten der Dichterszene vom Prenzlauer Berg, außerdem war er Autor für und Musiker von Bands, die so schöne Namen wie „teurer denn je“, „fett“ oder „la deutsche vita“ trugen.

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