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SCHREIB Waren: Schreiber, wollt ihr ewig spalten?

Steffen Richter lacht über die Suche nach dem perfekten DDR-Roman

In Dresden freuen sie sich bestimmt. Endlich kommt die Stadt mal ins Gespräch, und zwar nicht wegen durchgeknallter Fußballrowdys oder putziger Fledermäuse. Endlich wird ein Dresden-Bild verbreitet, wie es viele Dresdner mögen: Musik, Malerei und Architektur, alles vorzugsweise in Barock – und zum widerständigen Milieu darf man sich auch noch zählen. Weil Kultur natürlich gegen totalitäre Ideen immunisiert.

Das ist alles nicht falsch. Und selbstverständlich muss man den Hut ziehen vor Uwe Tellkamps Mut und seiner Kunstfertigkeit. Zudem ist man fast erschlagen von der allgemeinen Rezensentenbegeisterung über den „Turm“ (Suhrkamp), dieses großformatige Lob des Dresdner Bildungsbürgers. Tatsächlich, das Buch hat eine Menge mit den „Buddenbrooks“ zu tun, es buddenbrookt gewissermaßen von der ersten Seite an und kündet von hohen Ambitionen. Ein 1000-Seiten- DDR-Komplett-Entsorgungsprogramm, das wirklich alles umfassen soll – von der „Olsenbande“ über das Schlangestehen bis zu den Fahrscheinverteilerkästen in ostdeutschen Straßenbahnen. Um der DDR endgültig die Luft abzulassen, muss man sie wohl erst noch einmal richtig aufblasen. Nur: So ähnlich könnte einst auch das wiedererbaute Berliner Stadtschloss aussehen – eine sterile, historisierende und vor allem streitbare Imitation. Doch vielleicht fühlt sich das anders an, wenn Uwe Tellkamp seinem Text selbst Stimme gibt: am 10.11. (19 Uhr 30) in den Museen Dahlem (Lansstraße 8).

Unstrittig ist, dass man von der DDR schwer loskommt. Ein anderer Dresdner, Ingo Schulze, stammt offenbar aus einem Stadtbezirk, in dem nicht nur Kommunismusresistenz, sondern auch Kapitalismuskritik eingeübt wurde. Nicht dass Schulze die DDR vermissen würde, aber mehr staatlich verbürgte Sicherheit wünscht er sich durchaus. Denn „aus weitgehend ideologischen Abhängigkeiten“, so Schulze neulich in der „Süddeutschen“, seien heute „weitgehend ökonomische Abhängigkeiten geworden“. Mit Vollgas in diese hinein begeben sich Schulzes Helden „Adam und Evelyn“ (Berlin Verlag), die im Sommer 1989 über die ungarische Grenze von Ost nach West schlittern. Warum das warme Ostherz im kalten Westen nicht recht ankommen will, kann man Schulze heute (20 Uhr) im Literarischen Colloquium fragen (Am Sandwerder 5, Zehlendorf).

Und Barbara Honigmann kann man fragen, was sie von Gregor Gysis Behauptung hält, die DDR sei antiisraelisch, aber nicht antisemitisch gewesen. Honigmann verließ das Land 1984 Richtung Frankreich („aus der Assimilation mitten in das Thora-Judentum hinein“). Doch selbst in New York musste sie feststellen, dass die DDR sie noch immer begleitet. Am 6. 11. (20 Uhr) liest Honigmann im Brecht-Haus (Chausseestraße 125, Mitte) aus „Das überirdische Licht. Rückkehr nach New York“ (Hanser). Honigmanns DDR dürfte mit der von Tellkamp genauso wenig zu tun haben wie Tellkamps mit der von Schulze. Den Traum vom letztgültigen Roman über die DDR sollte man begraben.

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