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SCHREIB Waren: Starker Mann zum Mitreißen gesucht

Gelangweilte Mittelstandsfrauen, die sich in die zupackenden Pranken eines Ost- Mannes werfen und ihr Glück – zumindest vorläufig – in der Unterwerfung finden. Es scheint, als habe der Bevölkerungsaustausch von Prenzlauer Berg und Mitte nicht nur die Inneneinrichtungsläden in diesen Bezirken aus dem Boden sprießen lassen, sondern auch die Hilfe-holt-mich- aus-dem-Design-Leben-raus-Geschichte hervorgebracht.

Gelangweilte Mittelstandsfrauen, die sich in die zupackenden Pranken eines Ost- Mannes werfen und ihr Glück – zumindest vorläufig – in der Unterwerfung finden. Es scheint, als habe der Bevölkerungsaustausch von Prenzlauer Berg und Mitte nicht nur die Inneneinrichtungsläden in diesen Bezirken aus dem Boden sprießen lassen, sondern auch die Hilfe-holt-mich- aus-dem-Design-Leben-raus-Geschichte hervorgebracht. Nachdem in den letzten Jahren noch eine Art Hipster-Stolz darüber durchschimmerte, zur richtigen Zeit die richtige Wohnung am richtigen Ort zu bewohnen, schwingt das Pendel jetzt in die andere Richtung. Katja Oskamp etwa erzählt in „Hellersdorfer Perle“ von einer gut situierten Frau und Mutter, die das Nespresso-Leben satthat und ihr konventionelles Ich auf sehr lustbetonte Weise mithilfe eines SM- Proletariers aus der Eckkneipe abstreift.

Auch Anke Stelling erzählt solch eine Fluchtgeschichte. Der Klappentext zu „Horchen“ geht so: „Katja Rothenberger, 30, kann sich nicht beklagen – sie hat eine glückliche Kinderladenkindheit, einen umsichtigen Freund, eine Berliner Wohnung mit Holzfußboden und eine gut gegliederte Doktorarbeit. Woher kommt nur ihre Unzufriedenheit?“ Um Abhilfe zu schaffen, reist sie in die ostdeutsche Provinz und lernt dort den rätselhaften Gernot kennen, dem sie quasi auf der Stelle verfällt. „Horchen“ ist wesentlich düsterer als die süffig geschriebene „Hellersdorfer Perle“, denn Gernot ist nicht nur sexuell dominant, sondern auch noch Mitglied einer Sekte, deren rigiden Vorgaben sich Katja ebenfalls unterwirft. Ist die Selbstaufgabe in Wirklichkeit nicht eine Selbstfindung – das ist die provokative Frage, die alle SM-Romane stellen, und auch diese beiden Bücher spielen mit diesem Schauder. Am Mittwoch, 1.9., liest Anke Stelling im Literaturforum im Brecht-Haus (Chausseestraße 125, 20 Uhr) und spricht mit dem Sektenbeauftragen des Berliner Senats Dirk Kroegel über die Sinnsuche in der Gefolgschaft.

Auch die Ankündigung des Debütromans von Katharina Döbler macht hellhörig. „Die Stille nach dem Gesang“ heißt es, handelt von einer Frau, die sich „in den Schatten eines Mannes“ begibt. Auch eine Geschichte der Hörigkeit? Nein, der Schatten meint etwas anderes, zumindest auch. Falk Markgraf, die große Liebe der Sängerin Alex, ist tot, aber selbst Jahre später weiß die Mutter zweier unehelicher Kinder noch immer nicht, wie sie in Berlin eigentlich leben will. Katharina Döbler tritt beim diesjährigen Saisonauftakt im Literarischen Colloquium am Freitag, 3.9., neben Mariam Kühsel-Hussaini, Sascha Reh, Jan Wagner und Judith Zander auf und liest am 8.9. im Buchhändlerkeller (Carmerstraße 1, 20.30 Uhr).

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