zum Hauptinhalt

SCHREIB Waren: Wenn es kompliziert wird

Steffen Richter beschreitet Zwischenwelten

Schön wäre sie, die Welt der klaren Fronten: SPD oder CDU, Hammer oder Amboss. Leider funktioniert Komplexitätsreduktion nur noch beim Fußball so einigermaßen, wo man eben doch nur für Schalke oder Dortmund sein kann. Aber beides? Mag sein, sie sind in Holland geboren, die Schüler der „schwarzen Schule“ in Amsterdams Migranten-Bezirk Slotervaart. Mit dem, was die holländische Gesellschaft einmal ihre Werte nannte, haben sie aber wenig am Hut – der Mörder Theo van Goghs kam aus diesem Stadtteil. Nun war die Journalistin Margalith Kleijwegt ein Jahr lang Dauergast an einer solchen Schule – und bei den Eltern. Die freilich wissen nicht, ob ihre Kinder überhaupt zur Schule gehen und was sie dort tun. Weil sie oft schlecht integriert sind, taugen sie nicht als Autoritäten, so dass die Kinder sich Predigern zuwenden. So zumindest steht es in Kleijwegts bemerkenswertem Bericht von der Basis, der im Original „Unsichtbare Eltern“ heißt, auf Deutsch: „Schaut endlich hin!“ (Herder Verlag). Heute (20 Uhr 30) kommt Margalith Kleijwegt in den Buchhändlerkeller (Carmerstr. 1, Charlottenburg).

Feridun Zaimoglu hat schon recht, wenn er von „Migrationsliteratur“ („echt ein Ekelbegriff!“) nichts mehr hören will. Und vielleicht ist gar nicht so wichtig, dass der Protagonist seines neuen Romans „Liebesbrand“ (KiWi) Deutschtürke ist. Und dass es irgendwie auch um unterschiedliche Liebesfähigkeiten unter Bedingungen orientalischer Leidenschaftsrituale und okzidentaler Ernüchterung geht. Wichtiger ist vielleicht – das könnte man heute (20 Uhr) im Literarischen Colloquium erfahren (Am Sandwerder 5, Zehlendorf) –, dass sich Feridun Zaimoglu zum Lobe der Liebe in den Ton der deutschen Romantik hineinschreibt. Ganz wie die aus Ungarn gebürtige Terézia Mora in „Alle Tage“ auf den Spuren von Wilhelm Müllers romantischer „Winterreise“ wandelte. Es geht also nicht mehr nur um die Benutzung einer Sprache, sondern um die Aneignung einer Tradition. Das Dazwischen ist längst normal geworden.

Zur Startseite