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SCHREIB Waren: Zum Schnitzel ein wenig Schnitzler?

Steffen Richter über den Unterschied zwischen Gastronomie und Literatur

Zwei Dinge werden immer wieder gern verwechselt: Bücher und Literatur. Natürlich darf jeder Lesefreund jubeln, wenn der Buchmarkt Umsatzsteigerungen vermeldet. Über Literatur aber ist damit nichts gesagt. Ähnlich verhält es sich mit dem boomenden Lesebetrieb. Der bietet sportive Poetry-Slams, plüschige Salons, Kneipenhinterzimmer und Restaurants, in denen das gute Buch auf gutes Essen trifft. Das ist erfreulich, muss aber mit Literatur nichts zu tun haben.

Doch es gibt sie noch, die „klassische“ Lesung. Sie ist, das muss erklärt werden, eine Veranstaltungsart, bei der weder Räumlichkeit noch Gastronomie im Vordergrund stehen, sondern Autor und Text. Überlebt hat diese Ungeheuerlichkeit beispielsweise an einem Ort, der einst maßgeblich für die literarische Grundversorgung Westberlins war: der Charlottenburger Buchhändlerkeller (Carmerstraße 1). Donnerstags lesen hier Autoren aus aktuellen Büchern, dienstags wechseln sich Reihen ab: zum Sachbuch, zur Literatur, zum Fernsehen. Heute (20:30 Uhr) stellt der Übersetzer Rainer G. Schmidt den Englisch schreibenden Argentinier William Henry Hudson vor, dessen Bücher „Müßige Tage in Patagonien“ (Achilla Presse) und „El Ombu“ (Friedenauer Presse) zwischen ornithologischen Abhandlungen und philosophischen Essays schillern. Und am 31.1. (20:30 Uhr) kommt einer der unkonventionellsten deutschen Autoren: Der 80-jährige Giwi Margwelaschwili liest aus seinem Science-Fiction-Krimi „Officer Pembry“ (Verbrecher Verlag).

Die „klassische“ Lesung allerdings wird von der Senatskulturverwaltung kaum noch unterstützt. Gefragt sind öffentlichkeitswirksame „Projekte“ – und das möglichst in festen Einrichtungen. Für freie Literaturveranstalter, scheint es, wird die Luft knapp. Jedenfalls erhält der Buchhändlerkeller, wie sein Vorstand gerade mitteilte, in diesem Jahr keinen einzigen Förder-Euro. Hm.

Um ebenso streitbare Politik – wenngleich in größeren Dimensionen – geht es in der Akademie der Künste am Pariser Platz. Dort diskutieren am 30.1. (20 Uhr) die Autoren Ulrich Peltzer und Georg M. Oswald mit Tagesspiegel-Redakteur Gregor Dotzauer über die Rückkehr des Politischen in die Literatur. Oswald, selbst Anwalt, seziert in „Vom Geist der Gesetze“ (Rowohlt) die unsichtbaren Regeln, die Aufstieg und Fall in Politik und Gesellschaft bestimmen. Und in Peltzers „Teil der Lösung“ (Ammann) wird das rumorende Unbehagen an der vorgeblichen Alternativlosigkeit des Kapitalismus verhandelt.

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