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SCHREIB Waren: Alles nur eine Frage der Moral

„Heute würde er es tun. Es konnte keinen Zweifel mehr daran geben.

„Heute würde er es tun. Es konnte keinen Zweifel mehr daran geben. Und auch keinen mangelnden Mut. Und keine Ausreden mehr. An dem, was er nun vorhatte, arbeitete er seit Jahren.“ Worum geht es? Banküberfall? Mondreise? Essen mit den Schwiegereltern? Nein, es geht um „das Schwerste, was er sich je vorgenommen hatte: Der Journalist Genosse Wang würde eine Frage stellen.“ Dass dieser sich vor einer Herkulesaufgabe sieht, verwundert nicht, denn bekanntlich ist es um die Pressefreiheit in China nicht gut bestellt. Will man bei der Pressekonferenz der Regierung etwas zur Sprache bringen, stimmt man sich vorher mit der Parteileitung ab. Natürlich gibt es auch Fragen, die man gar nicht erst stellt – wie die nach den vielen verhängten Todesstrafen, die den titelgebenden Journalisten in Cornelia Vosperniks Roman „Genosse Wang fragt“ umtreibt. Doch reicht Wangs Sprachlosigkeit auch in sein Privatleben hinein, selbst in Liebesdingen findet er nicht die richtigen Worte. So kann es natürlich weder was mit dem erträumten Pulitzer-Preis noch mit der schönen Kollegin werden. Vospernik, gegenwärtig Nachrichtenchefin des österreichischen Senders ORF, hat lange als Korrespondentin in China gearbeitet, der Roman bietet Einblicke in das Zusammenspiel von Propaganda und Selbstzensur. Falls Sie mehr über die seltsamen chinesischen Presserituale erfahren möchten: Fragen Sie nach (Lesung am Sonnabend, 19.30 Uhr, Literaturhaus, Fasanenstraße 23).

Seine wahren Gedanken und Pläne behält auch der Ich-Erzähler in Ernst-Wilhelm Händlers neuem Roman „Der Überlebende“ für sich. Der Ingenieur hat sich als Leiter eines Werks für Elektrotechnik in Leipzig ein geheimes Labor zur Entwicklung intelligenter Roboter eingerichtet, an denen er mit wenigen Mitarbeitern herumexperimentiert. Wo es um Kreationen geht, die Aspekte des Menschen imitieren, stellt sich natürlich sofort die Frage nach den Grenzen des Menschlichen, die im Schöpfungsdrang gern mal überschritten werden. Wie weit wird der Erzähler also für seine radikalen Visionen gehen? Der Autor liest am Freitag, es moderiert Maike Albath (20 Uhr, Literaturhaus, Fasanenstraße 23)

Eindeutig die Grenzen des ökonomisch Sinnvollen hat der Investmentbanker Bernhard Milbrandt überschritten, als er bei seinen Spekulationen mit griechischen Staatsanleihen das Kapital des Bankhauses Alberts verzockt. Dumm gelaufen, denkt er sich und will schnell noch ein paar Millionen offshore unterbringen, um dann abzutauchen. Doch kaum hat sich Milbrandt in einer verlassenen Ferienanlage in Südspanien einquartiert, muss er erkennen, dass er nicht so einfach entfliehen kann. Auch in Sascha Rehs Roman „Gibraltar“ lauern hinter Schulden moralische Verschuldungen, und wie die in diesem Fall aussehen, erfährt man bei der Lesung am Donnerstag (20.30 Uhr, Buchhändlerkeller, Carmerstr. 1).

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