zum Hauptinhalt

SCHREIB Waren: König der Geier

Apokalyptischer kann das Jahr, das – wie uns seit Monaten weisgemacht wird – das schlimmste seit Jahrzehnten werden soll, auch auf den Lesebühnen der Stadt kaum beginnen. Heiner Müller nämlich, der „König der Geier“, der über „verkommenen Ufern“ kreiste, wie ein Kollege mal geschrieben hat, dessen „Element der Kalte Krieg war“ und dessen Stoffe „das Crash-Material eines Zusammenstoßes und eines Zusammenbruchs“ bildeten, wie ein anderer ergänzte, wäre am kommenden Freitag achtzig Jahre alt geworden.

Apokalyptischer kann das Jahr, das – wie uns seit Monaten weisgemacht wird – das schlimmste seit Jahrzehnten werden soll, auch auf den Lesebühnen der Stadt kaum beginnen. Heiner Müller nämlich, der „König der Geier“, der über „verkommenen Ufern“ kreiste, wie ein Kollege mal geschrieben hat, dessen „Element der Kalte Krieg war“ und dessen Stoffe „das Crash-Material eines Zusammenstoßes und eines Zusammenbruchs“ bildeten, wie ein anderer ergänzte, wäre am kommenden Freitag achtzig Jahre alt geworden. Ihm zu Ehren findet am 9.1. im Literaturforum im Brecht-Haus (Chaussee straße 125, 20 Uhr) eine Gespräch über Müllers Theater im 21. Jahrhundert und im Studio der Akademie der Künste (Hanseatenweg, 19 Uhr) eine monumentale, hochkarätig besetzte szenische Lesung statt, die von Hans Neuenfels eingerichtet wurde und bei der Volker Braun, Heiner Geißler, Thomas Flierl, Durs Grünbein, Elke Heidenreich und viele, viele andere auftreten. Und Thomas Langhoff liest einen neuen Text von Elfriede Jelinek.

Man erinnert sich: 1990, sechs Jahre vor seinem Krebstod, übernahm Müller die Präsidentschaft der Akademie der Künste/Ost. Ort und Zeit hätten nicht idealer, also symbolischer sein können: Zwei Systeme stürzten ineinander, für ein paar Momente glühten anarchisch ein paar Funken der Rechtsfreiheit auf, bevor dann alles seinen desillusionierenden, bürokratischen Vereinigungsgang ging. Es war wohl der Höhepunkt von Müllers kassandrischem Ruhm. Falls es eine Kontinuität der Geschichte gibt, so sein Credo, dann ist es die des Todes: „Der Tod ist die Maske der Revolution. Die Revolution ist die Maske des Todes.“

Andererseits: Tröstender kann das Jahr auf den Lesebühnen der Stadt kaum beginnen. Denn wo der Zusammenbruch donnert, wo Illusionen bröseln, fallen viele Fragmente, Metaphern, Sinnminiaturen ab, die man wie Handschmeichler mit sich herumtragen kann: „Ich wer ist das.“ Oder, wie der Abend in der Akademie heißt: „Die Menschheit braucht ein neues Wozu!“ Bei kaum einem klingt der Niedergang so eingängig und heimelig wie bei Müller.

Die Heiner-Müller-Festspiele im Literaturforum im Brechthaus werden am 13.1. (20 Uhr) unter dem Motto „MüllerBrechtTheater“ mit einem Gespräch zwischen René Pollesch und der türkischen Regisseurin und Schauspielerin Sahika Tekand fortgesetzt. Und in der Akademie der Künste, ebenfalls am Hanseatenweg, wird am 10.1. der Heiner-Müller-Film „Ich will nicht wissen, wer ich bin“ von Christoph Rüter und Thomas Irmer gezeigt (20 Uhr).

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false