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SCHREIB Waren: Nicht jede Zelle ist ein Gefängnis

Wer sind wir in den Augen der Anderen? Wie steht es um das Verhältnis von Wahrheit und Wahrnehmung?

Wer sind wir in den Augen der Anderen? Wie steht es um das Verhältnis von Wahrheit und Wahrnehmung? Diese Fragen liegen dem Roman „Quasikristalle“ von Eva Menasse zugrunde. Die Autorin erzählt die Lebensgeschichte von Xane Molin aus Sicht von Nachbarn, Freunden, Kollegen und Familienmitgliedern. Damit kommen sehr unterschiedliche Perspektiven zum Einsatz, und jede Sicht auf die Heldin kann notwendig nur ein Fragment sein. Liefern nun alle Blickwinkel zusammen ein umfassendes Bild der Person, bilden sie eine Identität oder viele?

Der auf die Chemie verweisende Titel bietet einen ersten Anhaltspunkt: Daniel Shechtman erhielt für die Entdeckung der Quasikristalle 2011 den Nobelpreis. Schlag nach bei Wikipedia: „In einem normalen Kristall sind die Atome bzw. Moleküle in einer periodischen Struktur angeordnet. Diese wiederholt sich in jeder der drei Raumrichtungen. Jede Zelle ist von Zellen umgeben, die ein identisches Muster bilden. In einem Quasikristall sind die Atome bzw. Moleküle dagegen nur ,quasiperiodisch’ angeordnet.“

Alles klar? Dann haben Sie das intellektuelle Rüstzeug für die Lesung im Theater o. N. am Montag. Die Autorin tritt gemeinsam mit dem Lyriker Tom Schulz auf, der aus „Innere Musik“ liest. Sollte er auch „Am Morgen mit der Herkunftsgarantiebanane“ vortragen, ist für handfeste Sicherheiten in dieser nur quasi-sicheren Welt gesorgt (20 Uhr, Kollwitzstr. 53).

Wie es um die Identität einer jungen Frau steht, die an der Überforderung zerbricht, ihren alzheimerkranken Vater zu pflegen, erkundet Andrea Sawatzki in „Ein allzu braves Mädchen“. Eine Frau wird verstört im Wald aufgegriffen und – da sie nichts über sich preisgibt – in eine psychiatrische Klink eingewiesen. Zeitgleich findet die Polizei einen toten alten Mann in einer nahe gelegenen Villa, der Schädelverletzungen und überall Stichwunden aufweist. Schnell stellt sich dem Leser ein Zusammenhang zwischen den beiden Ereignissen her.

In ihrem Debütroman hat die ehemalige „Tatort“-Kommissarin auf eigene Erfahrungen zurückgegriffen. Auch sie musste als Kind oft auf ihren alzheimerkranken Vater aufpassen. Trotzdem sei das Buch keine Autobiografie. Ebenso wenig handelt es sich um einen Krimi, eher um eine psychologische Studie. Am Freitag liest Sawatzki in der Backfabrik (20 Uhr, Saarbrücker Str. 36–38, 2. Hof).

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