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SCHREIB Waren: So isset!

Das Gemäkel an Berlin hat Tradition. Kurt Tucholsky meinte, dass die Stadt die Nachteile einer amerikanischen Großstadt mit jenen der Provinz verbindet.

Das Gemäkel an Berlin hat Tradition. Kurt Tucholsky meinte, dass die Stadt die Nachteile einer amerikanischen Großstadt mit jenen der Provinz verbindet. Etwaige Vorzüge seien im Baedeker nachzulesen. Goethe differenzierte noch feinsinniger: „Es lebe aber (...) dort ein so verwegener Menschenschlag beisammen, dass man mit der Delikatesse nicht weit reicht, sondern dass man Haare auf den Zähnen haben und mitunter etwas grob sein muss, um sich über Wasser zu halten.“

Jenauso isset. Deshalb schließen wir uns vorbehaltlos Georg Hermann an: „Auf Berlin lasse ich nichts kommen“, lautete das Credo des Autors, den Gerold Ducke und Wolfgang Lörzer am Dienstag um 20.30 Uhr im Buchhändlerkeller vorstellen. Hermann, ein ungemein produktiver jüdischer Autor, schrieb Anfang des 20. Jahrhunderts Berliner Gesellschaftsromane, 1943 wurde er nach Auschwitz deportiert. Erst in letzter Zeit wurde er wiederentdeckt.

Dem uneingeschränkten Bekenntnis zu Berlin scheint das „nullkonzeptberlin“ irgendwie entgegenzustehen. Der Niederländer Joost Backus, seines Kleinstadtlebens müde, nahm hier eine Auszeit – Stoff genug für Geschichten, die in die Erkenntnis münden: „Berlin liebt dich, wenn du das Leben liebst.“ Die szenische Lesung mit Musik und Soundcollagen am Mittwoch, 21 Uhr, in den Sophiensaelen steht unter dem Titel „Mehr Farbe für reifere Herren!“ Sollte dies dem modebewussten Berliner nicht reichen, kann er „Das Herz auf der Haut“ tragen: Als Anleitung bietet sich die gleichnamige Anthologie an, die Geschichten über das Tattoo versammelt, sie wird am Freitag um 20 Uhr in der Backfabrik (Saarbrücker Str. 36a, Clinker-Lounge, Karten unter 030/43735734) vom Mitherausgeber Benedict Geulen und von Clemens Meyer vorgestellt. Letzterer ist für seine Texte wie für seinen Körperschmuck berühmt und wird sicher Stilbewusstes beisteuern.

„Meine Nägel sind mit Henna gefärbt und meine Stirne habe ich tätowiert voll von Sternen“ – auch Else Lasker-Schüler liebte Körperdekorationen. Als Jüdin teilte sie das Exilschicksal Georg Hermanns (vor seiner Deportation war er nach Holland geflohen). Lasker-Schüler emigrierte von Berlin über die Schweiz nach Jerusalem, wo sie im Januar 1945 starb. Angela Winkler liest am Sonntag um 12 Uhr im Hamburger Bahnhof aus den Werken der Autorin, die sich selbst „Prinz von Theben“ und Berlin eine „kreisende Weltfabrik“ nannte.

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