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SCHREIB Waren: Wahn als Lebenselixier

„Ich existiere nur, wenn ich schreibe, ich bin nichts, wenn ich nicht schreibe, ich bin mir selbst vollkommen fremd, aus mir herausgefallen, wenn ich nicht schreibe“, so erklärte Ingeborg Bachmann einmal die existenzielle Notwendigkeit ihres Lebens. Und fügte hinzu: „Es ist eine seltsame, absonderliche Art zu existieren, asozial, einsam, verdammt.

„Ich existiere nur, wenn ich schreibe, ich bin nichts, wenn ich nicht schreibe, ich bin mir selbst vollkommen fremd, aus mir herausgefallen, wenn ich nicht schreibe“, so erklärte Ingeborg Bachmann einmal die existenzielle Notwendigkeit ihres Lebens. Und fügte hinzu: „Es ist eine seltsame, absonderliche Art zu existieren, asozial, einsam, verdammt.“ Dass Schreiben eine Obsession ist, ein durchaus auch quälender Zwang, der weit davon entfernt ist, das reine Vergnügen zu sein, haben viele Schriftsteller beschrieben.

Die im Jahr 2009 mit dem Nobelpreis ausgezeichnete Autorin Herta Müller geht noch einen Schritt weiter: „Eigentlich schreibe ich nicht gern. Nur Idioten schreiben gern. Aber ich bin davon besessen.“ Warum sich dann diesem Dasein verschreiben? Weil, so sagt Müller, die selbst erschaffene Literatur eine „Art Wirklichkeit“ sei, der Schreibprozess werde „zu einer Art, mit sich selbst zurechtzukommen.“ Mehr erfahren über die Gründe und Abgründe der Schriftstellerexistenz kann man am Freitag um 20 Uhr im Berliner Ensemble (Bertolt-Brecht-Platz 1), wo Müller aus ihrem neuen Buch „Immer derselbe Schnee und immer derselbe Onkel“ liest, das Essays, Reden und Zeitungsartikel versammelt.

„Eigentlich kann ich nur leben, wenn ich schreibe“, notiert auch die 1970 verstorbene österreichische Autorin Marlen Haushofer in einer Tagebuchnotiz und benannte damit ihr Lebensdilemma: Nur frühmorgens konnte sie am Küchentisch an ihren Texten arbeiten, dann holten sie die familiären und beruflichen Verpflichtungen unerbittlich ein. Kein Wunder, dass sie in ihrem berühmtesten Werk „Die Wand“ eine entvölkerte Welt voller Toter imaginierte, in der nur eine einzige Frau mit einigen Tieren den Weltuntergang überlebt. Und dann taucht plötzlich der letzte überlebende Mann auf. „Apokalypse einer gottlosen Welt“: Unter diesem Titel liest Sophie Rois am Sonntag um 17 Uhr im Schloss Neuhardenberg (Großer Saal, Schinkelplatz, 15320 Neuhardenberg) aus dieser Untergangsvision.

Und auch Heinrich von Kleist hat Glücksempfindungen beim Schreiben eher heruntergespielt: „Wär ich zu etwas Anderem brauchbar, so würde ich es von Herzen gern ergreifen: ich dichte bloß, weil ich es nicht lassen kann.“ Zum Glück für die Leser gab Kleist die sichere Beamtenlaufbahn auf und folgte der Verführung zum Schreiben. Der Autor selbst zog in seinem Abschiedsbrief kurz vor seinem Selbstmord das berühmte, traurige Lebensresümee: „Die Wahrheit ist, dass mir auf Erden nicht zu helfen war“. Am Sonntag liest Thomas Schleising-Niggeman um 15 Uhr in der Villa Donnersmarck (Schädestr. 9-13) aus den Werken Kleists. Wer sich schon vorab darüber informieren möchte, wie Kleists Leben zwischen Politik, Literatur und Krisenmanagement verlief, begebe sich ins Ephraim-Palais (Poststr. 16), wo ab Samstag auf drei Etagen die Ausstellung „Kleist: Krise und Experiment“ zu sehen sein wird.

Dass das Schreiben nur Zwang und Obsession sei, wird an dieser Stelle aber nachdrücklich abgelehnt und dieser Text nun ganz freiwillig und fix beendet.

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