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SCHREIB Waren: Wie wir verschwinden

Bei Notfällen und im Nachrichtenjournalismus sind sie ein Geländer, das einen unbeschadet durch das Chaos sich überstürzender Ereignisse geleitet – die sogenannten „fünf W-Fragen“: Wer hat was wo wann wie und warum gesagt (Journalismus) oder erlitten (Notfallsituation)? Dabei geht es darum, so viel Wirklichkeit wie möglich auf so wenig Platz wie nötig unterzubringen.

Bei Notfällen und im Nachrichtenjournalismus sind sie ein Geländer, das einen unbeschadet durch das Chaos sich überstürzender Ereignisse geleitet – die sogenannten „fünf W-Fragen“: Wer hat was wo wann wie und warum gesagt (Journalismus) oder erlitten (Notfallsituation)? Dabei geht es darum, so viel Wirklichkeit wie möglich auf so wenig Platz wie nötig unterzubringen. Interessanterweise lässt sich seit einigen Jahren eine W-Mode bei Buchtiteln beobachten, allerdings mit dem entgegengesetzten Ziel. Geht es hier, wie man weiß, doch nicht ums Faktische, sondern um Atmosphärisches. Die Regel lautet hier: Je mehr W-Worte, desto plastischer kann das Ungefähre, das Unsagbare lyrisch umrissen werden. W-Titel beantworten keine Fragen, sondern reißen Lücken auf, die – wenn überhaupt – erst durch die Lektüre geschlossen werden, stoßen uns andererseits sacht in den Strom der Geschichte, bevor die überhaupt angefangen hat. Sehr clever. Den Beginn dieser Mode markiert der Erzählungsband von Raymond Carver mit dem tollen Titel „Wovon wir reden, wenn wir von Liebe reden“. Ebenfalls schön: „Woraus wir gemacht sind“ von Thomas Hettche oder „Hier, wo wir uns begegnen“ von John Berger. Der am meisten einladende W-Titel dieses Frühjahrs ist sicherlich „Wie wir verschwinden“ von Mirko Bonné. In dem Roman geht es um zwei ältere Männer, die durch die Erinnerung den Boden unter den Füßen verlieren. Aber wann? Und warum? Man begebe sich am Donnerstag, den 9.4., in den Buchhändlerkeller (Carmerstraße 1, 20.30 Uhr).

„Wie wir verschwinden“, so könnte auch die Veranstaltung heißen, die heute im Literaturforum im Brecht-Haus stattfindet, wobei verschwinden hier nicht im übertragenen, sondern wörtlichen Sinn gemeint ist: denn die Verlagslandschaft Ostdeutschlands hat sich seit 1990 radikal verändert. Von ehemals 78 staatlich lizensierten Verlagen der DDR existieren in eigenständiger Form nur noch ein Dutzend. Die Zahl der in der Buchbranche im Osten Beschäftigten ist auf weniger als ein Zehntel gesunken. Christoph Links, ehemaliger Mitarbeiter des Aufbau-Verlags und inzwischen Verleger, stellt „Das Schicksal der DDR-Verlage. Die Privatisierung und ihre Konsequenzen“ im Gespräch mit Dunja Welke vor (Chausseestraße 125, 20 Uhr).

Apropos Verschwinden: „Tee mit Buddha – Mein Jahr im japanischen Kloster“ heißt das Buch, aus dem Michaela Vieser am Mittwoch, den 8., in Lehmanns Fachbuchhandlung liest (Hardenbergstraße 5, 20.15 Uhr).

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