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Kultur: Schuldenkrise

Im Kino: „Callgirl“ – ein Drama aus Slowenien.

Schwarze Limousinen sausen durch die Innenstadt von Ljubljana. Das Sirenengeheul der Polizeieskorte lässt die Bewohner der slowenischen Hauptstadt wissen, dass hochrangiger Polit-Besuch in der Stadt ist. Für Aleksandra (Nina Ivanišin) bedeutet das Geräusch: Kundschaft. Die 23-jährige Studentin arbeitet als Callgirl. Von ihrem Doppelleben weiß niemand. Nicht ihre Kommilitoninnen und auch nicht ihr arbeitsloser Vater Edo (Peter Musevski), den sie in ihrem Heimatdorf gelegentlich besucht.

Als ein deutscher Diplomat, der Aleksandras Dienste in Anspruch nehmen will, an einer Überdosis Viagra stirbt, gerät sie ins Visier der Polizei. Auch ein Zuhälter-Duo wird auf sie aufmerksam und will sie unter seine Kontrolle zwingen. Spannung kommt in Damjan Kozoles „Callgirl“ dadurch allerdings nur kurz auf. Denn der Regisseur will mit dem Psychogramm einer ehrgeizigen jungen Frau gleichzeitig ein Gesellschaftsportät des kleinen EU-Staates zeichnen, das von der Schuldenkrise stark betroffen ist. Leider ist ihm die überdeutliche Metaphorik wichtiger als eine packende Charakterentwicklung. So steht Aleksandra, die unter dem Pseudonym „Slovenka“ (Originaltitel) arbeitet, platt für die slowenische Jugend, die den kapitalistischen Versprechen des Westens aufgesessen ist. Sie will weg aus den ärmlichen Dorfverhältnissen und kauft sich mit dem Prostitutionsgeld eine Eigentumswohnung. Natürlich auf Kredit, den sie bald nicht mehr bedienen kann. Zudem schuldet sie einem Ex-Liebhaber Geld. Es wird viel mit Euro-Scheinen geraschelt in diesem Film, wobei immer mitschwingt: Dieses Geld ist schmutzig und bringt nur Unglück.

Anders als die Jungen haben die Alten schon aufgegeben. Einmal spricht Edo mit einem Freund über seine Selbstmordgedanken. Sein Gegenüber erzählt ihm von ähnlichen Fantasien: „Mich fasziniert der Tod mehr als das Leben“. Vorerst sind Alkohol und Musik die Lösung für die beiden. Sie haben ihre alte Band wiedervereinigt und rocken mittags in der Garage. Es ist eine Flucht in die Vergangenheit – und am Ende von „Call Girl“ das Einzige, das auch Vater und Tochter für einen Moment zusammenführt. Nadine Lange

b-ware ladenkino, Babylon Mitte,

Krokodil

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