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Kultur: Schwangeres Dreieck

Zu Metamorphosen habe er schon immer eine Neigung gehabt, erzählt Jan Kotik, und schon hält es den tschechischen Künstler nicht mehr auf seinem Stuhl.Er läuft zwischen den Dreiecken seiner Ausstellung im Lapidarium hin und her, um ihre Wandelbarkeit zu demonstrieren.

Zu Metamorphosen habe er schon immer eine Neigung gehabt, erzählt Jan Kotik, und schon hält es den tschechischen Künstler nicht mehr auf seinem Stuhl.Er läuft zwischen den Dreiecken seiner Ausstellung im Lapidarium hin und her, um ihre Wandelbarkeit zu demonstrieren.Zuerst schiebt er die auseinandergerutschten Segmente eines zerlegten Dreiecks wieder zusammen, dann faltet er ein Papierdreieck auf, klappert mit den Holzflügeln einer vielgliedrigen Figur und öffnet den Reißverschluß eines stoffgenähten Dreiecks, aus dessen Bauch er das nächste hervorholt.Zum Schluß zieht er an schlappen Fäden und schon zeichnen sie eine gleichschenklige Pyramide in den Raum.

So schön darf mit den Möglichkeiten des Umbaus seiner 52teiligen Installation zwar nur der 72jährige Künstler selbst spielen, allein ihre Beweglichkeit erfaßt auch der Augensinn.Die geometrische Form bleibt nicht länger abstraktes Schema, sondern erleidet vielfältige Angriffe auf ihre exakte Konstruktion: als Folie zerknittert, zu Tüten gedreht, in Stoff geknautscht, aus Papier gerissen und notdürftig genäht, neigt das Dreieck zur Uniform und zur Auflösung.

Ein wenig erinnert die Serie an das Ergebnis eines Grundkurses über Stabilität und Materialvielfalt.Doch als Jan Kotik, der 1970 als Gast des DAAD von Prag nach Berlin gekommen war und geblieben ist, drei Jahre später an den Dreiecken arbeitete, war er schon als Grenzgänger bekannt, der Geometrie und Konstruktivismus stets mit etwas, was nicht so eindeutig zu definieren war, zusammenbrachte.So stellt seine Paraphrase über das Dreieck die Behauptung auf, daß in der Kunst alles benutzbar und überführbar sei.In den Materialien zitierte Kotik die synthetische Glätte eines konkreten Minimalismus, den Filz und die Fäden konzeptuell angelegter Formreservoire, das nüchterne Schwarzweiß von Zero, die Farbigkeit der Pop-Art, den heftigen Strich gestischer Malerei.Er setzte sich damit über stilkundliche Zuordnungen hinweg und polemisierte gegen ein Kunstverständnis, das Inhaltlichkeit an bestimmte Formsprachen koppeln will.

Einen lehrstückhaften Charakter haben auch spätere Arbeiten Kotiks.Letztes Jahr zeigte die Berlinische Galerie anläßlich seiner Ehrung mit dem Thieler-Preis Bilder, deren Flächen kurvenreich aufgebrochen waren.Im Lapidarium, dem Notschaufenster des Museums ohne eigenes Haus, muß die 1994 erworbene "Geschichte des Dreiecks" ihre ganze fintenreiche Anpassungsfähigkeit aufbringen, um sich auf Stellwänden und Sockeln gegen die steinernen Kolosse zu behaupten.

Lapidarium, Hallesches Ufer 78, bis 24.August; Mittwoch bis Montag 10-20 Uhr.

KATRIN BETTINA MÜLLER

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