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Kultur: Schwarz und Weiß

Südafrika zählt nicht gerade zu jenen Ländern, die heute mit Architektur Schlagzeilen machen oder gar ob ihrer Architektur besucht werden.Weder verfügt das Land über ein besonders reiches architektonisches Erbe, noch über eine international bekannte Architektenszene.

Südafrika zählt nicht gerade zu jenen Ländern, die heute mit Architektur Schlagzeilen machen oder gar ob ihrer Architektur besucht werden.Weder verfügt das Land über ein besonders reiches architektonisches Erbe, noch über eine international bekannte Architektenszene.Ein südafrikanischer Architekt von Weltrang? Auf dem europäischen Kontinent wird wohl kaum jemand einen Namen nennen können.

Um so bemerkenswerter ist es, daß das angesehene Nederlands Architectuurinstituut in Rotterdam (NAI) gerade jenem weitgehend unbekannten Land eine seiner beeindruckendsten Ausstellungen widmet.Unter dem Titel "Blank - Architecture, Apartheid and After" nimmt sich das Haus entschieden der vielen düsteren Facetten von Südafrikas Städtebau und Architektur an, nicht ohne jedoch dem Besucher zugleich Lichtblicke von Widerstand und Selbstbehauptung zu bieten.In scharfem Gegensatz zu den leider üblich gewordenen Architekturausstellungen, die sich mit der Aneinanderreihung brillanter Photos und Zeichnungen begnügen, wird in Rotterdam mit vielfältigen Konfrontationen unterschiedlichster Dokumente und Objekte gearbeitet, die das architektonische Werk von seiner Entstehung und Zwecksetzung her präsentieren.

Das englische Wort "Blank" steht dabei für Leere, für das Unbeschriebene, dasjenige, was durch die Ausstellung zu Tage gefördert werden soll."Apartheid" hingegen, das wohl bekannteste Wort der niederländischen Sprache, steht für einen sehr früh begonnenen, umfassend geplanten Prozeß räumlicher und sozialer Ausgrenzung, der Südafrikas Städte und Landschaften unvergleichbar verändert hat.Mehr als drei Millionen Menschen mußten Heim und Heimat verlassen.Mehr als zwei Millionen, denen wiederholt ein ähnliches Schicksal angedroht wurde, konnten über Jahrzehnte hinweg nur in geduldeten Provisorien leben.Ein System, das für viele Schwarze in die fürchterliche Dreieinigkeit von Wanderarbeiterhäusern, townships und homelands mündete, und viele Weiße in eine immer neurotischere Festungsmentalität führte.Eine Entwicklung, die sich unschwer von den ersten Wachttürmen der Kolonisten über die zahlreichen Denkmäler des großen Burentrecks ins Landesinnere bis zu den gated communities, den mit Stacheldraht und Elektrozaun gesicherten Wohnanlagen der Weißen, verfolgen läßt.

Manche Luftbilder von townships oder Photos von der Auswahl schwarzer Arbeitskräfte drängen dabei mehr als einmal Vergleiche mit dem "Dritten Reich" auf.Mehr als einmal erlaubt sich die Ausstellung auch abgründige Einblicke auf die funktionalistische Stadtplanung.Was andernorts zur räumlichen Entflechtung der verschiedenen Lebensbereiche beitrug, fand in Südafrika eine schreckliche Erweiterung nach rassistischen Kriterien.Die Blütezeit südafrikanischer Architektur in den sechziger Jahren fiel dabei nicht nur mit einem Wirtschaftsboom zusammen, sondern auch mit der Perfektionierung des Apartheid-Staates.

Einen dunklen Tunnel muß der Besucher in Rotterdam durchschreiten, bevor er eine in gleißendes Neonlicht getauchte Ausstellungslandschaft betritt, durch die er dann seinen eigenen Weg finden muß.Mit frei im Raum stehenden Ausstellungstafeln eröffnen sich sodann die unterschiedlichsten Nachbarschaften und Konfrontationen der Themen.Die Ausstellungsmacher - der junge südafrikanische Philosoph und Architekt Hilton Judin und NAI-Direktorin Kristin Feireiss - vermieden bewußt eine chronologische Gliederung und setzten stattdessen etwa den Internationalen Stil neben die Planung der Townships oder das weiße Einfamilienhaus neben eine Darstellung der Gewalt in Südafrika in beinahe kindlichen Polizeiskizzen.

Kompromißlos ist die Ausstellung, die den Dialog fördern will, die dazu die unterschiedlichsten Objekte und Inhalte sehr sensibel und ausgesprochen sinnlich zu verbinden weiß.Mehr als fünfzig verschiedene Mitarbeiter hatte das Projekt in Südafrika.Wissenschaftler, Fotografen und Filmemacher der unterschiedlichsten Hautfarben, die mit ihren unterschiedlichen Perspektiven die Ausstellung in ein spannendes Ereignis verwandelten.Ein Ereignis, das zugleich in ein nicht minder verdienstvolles Buch mündete, das mehr als ein herkömmlicher Ausstellungskatalog die Geschichte und Gegenwart Südafrikas offenlegt, das erstmals dessen Architektur und Alltag, Städtebau und Eigenart in einem Kompendium versammelt.

Der Vielfalt Südafrikas, eines Landes sehr unterschiedlicher Erfahrungshorizonte, versuchen sich noch zwei weitere Ausstellungen des NAI zu nähern."Das tägliche Leben im Koffer" der niederländischen Künstlerin Lieke Grob läßt südafrikanische Frauen von Geschichte und Alltag erzählen.An den Photoserien des Südafrikaners David Goldblatt schließlich lassen sich die Veränderungen Südafrikas unter und nach dem Ende der Apartheid eindrücklich verfolgen.Am Ende möchte man nur die Bitte an die Ausstellungsmacher richten, "Blank..." unbedingt noch vor dem Jahr 2000 in Südafrika zu präsentieren.

Rotterdam, NAI, Museumpark 25

bis 18.April 1999.Katalog in englischer Sprache, 65 Gulden.

CLAUS KÄPPLINGER

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