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Kultur: Schwarze Galle

Geisterstunde. Es ist 0:00 Uhr: Auf der Armbanduhr wie auf der großen Uhr auf der Bühne.

Geisterstunde. Es ist 0:00 Uhr: Auf der Armbanduhr wie auf der großen Uhr auf der Bühne. Mit Glockenspiel, Gong und singender Säge wird das Publikum von einem spukschlössernen Sound begrüßt. Im Halbdunkel bietet der Saal mit den erloschenen Kronleuchtern, den leeren Rängen und schweren Vorhängen eine wahre "Phantom"-Stimmung. Und was hat das Musicaltheater des Mitternachts an Spuk zu bieten?! Keine special-effects, keine große Theatertechnik, weder Schrecken noch gewaltige Bilder. Aber "Frankensteins Monster" - so der Titel des Abends - kommt herein. In schwarzem Mantel und aufgeklebter Klischee-Monster-Visage. Von dem schmalen Bühnenstreifen vor dem Vorhang berichtet es uns von seinem Leid, hässlich zu sein und dadurch keinen Zugang zu den Menschen zu finden. Diese Frustration verwandelt sich in Rachelust: "Alles in mir war Galle und Bitterkeit geworden", krächzt der Schauspieler Joachim Schweizzer, der den Abend auch konzipiert hat. Auf der Bühne schlägt er eine Axt in einen Baumstumpf. Dem einstündigen Monolog zu folgen ist so anstrengend wie nervend: Einem grauenvollen Äußeren wohnt - klar - eine unangenehme Stimme inne. Also präsentiert das Theater des Westens die Aufführung als Freiübung für den Tonmeister. Es zischt und hallt, dass die Sprache teilweise bis zur Unkenntlichkeit verzerrt wird. Ganze Sätze werden vom künstlichen Echo wiederholt. Schreit Frankensteins Monster in sein Mikroport, überschlägt sich der Ton - erst "auf Zuruf" wird ausgesteuert. Um 0:30 Uhr stellt sich das Monster die essentielle Frage "Was war ich?" - es wusste nichts von seinem Schöpfer und seiner Schöpfung. Um 0:43 Uhr kapituliert es schreiend: "Und ich war nicht mehr zu retten." Das Thema ist interessant, einen Psychopathen auf der Bühne zu erleben vielleicht auch, aber der übersteuerte Sound und das chargenhaft-übertriebene Schauspiel lassen die Zeiger auf der Uhr nur quälend langsam fortwandern. Genau eine Stunde dauert der Spuk - laut Bühnenuhr, auf der Armbanduhr ist es schon 20 Minuten später.

Cordula Däuper

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