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So sieht es aus bei der Jahressitzung der Schwedischen Akademie

© picture alliance/dpa

Diesmal im Doppelpack: Am Donnerstag gibt es zwei Literaturnobelpreise

Nach den Turbulenzen des letzten Jahres vergibt die Schwedische Akademie die Literaturnobelpreise 2018 und 2019. Ob sie damit ihr Ansehen verbessert?

Es ist so still in den letzten Monaten in Stockholm gewesen. Zumindest in der Umgebung der Schwedischen Akademie und des Nobelpreis-Komitees. Das einstige Literaturnobelpreis-Jurymitglied Katarina Frostenson hatte zwar im Mai noch ihr Buch „K“ veröffentlicht, eine Mischung aus Anklage, Selbstrechtfertigung und Starrsinn.

Doch kam es zu keinem Sturm der Empörung mehr. Niemand wollte sich lautstark an „K“ abarbeiten, zu selbstentlarvend war das Buch.

Frostenson stand zusammen mit ihrem Ehemann Jean-Claude Arnault, der wegen Vergewaltigung rechtskräftig zu zweieinhalb Jahren Gefängnis verurteilt wurde, im Zentrum der Akademie-Turbulenzen. Diese hatten im November 2017 im Rahmen der MeToo-Bewegung mit dem Vorwurf von 18 Frauen begonnen, Arnault habe sie sexuell missbraucht.

Das führte dazu, dass die Schwedische Akademie sich öffentlich zerstritt. Es folgten Aus- und Rücktritte, Glaubwürdigkeitsverluste und die Beschlussunfähigkeit des Literaturnobelpreis-Komitees, so dass 2018 kein Literaturnobelpreis vergeben wurde.

Anne Carson ist bei den Buchmachern Favoritin

Inzwischen ist das Gremium zumindest wieder vollzählig, die restlichen vier neuen Mitglieder werden im Dezember dieses Jahres offiziell eingeführt. Um ein Mindestmaß an Glaubwürdigkeit zurückzugewinnen und den Preis weiter vergeben zu können, hat die Akademie fünf externe, mit ihr verbundene Mitglieder benannt, darunter die junge Literaturkritikerin und in Berlin lebende HU-Studentin Rebekka Kärde.

Diese fünf Externen haben zusammen mit fünf angestammten Mitgliedern der Akademie in den vergangenen zwölf Monaten gelesen und nochmals gelesen und eine Shortlist mit fünf Namen, die für den nachträglich vergebenen Literaturnobelpreis 2018 und den für 2019 in Frage kommen.

The same procedere as every year also, außer 2018. Schaut man sich die Favoriten beim englischen Wettanbieter Ladbrokes an, gibt es zunächst eine Überraschung: Als Favoriten gelten die kanadische Lyrikerin Anne Carson, die aus Guadeloupe stammende französische Schriftstellerin Maryse Condé, die vergangenes Jahr den sogenannten alternativen Literaturnobelpreis gewann, und die polnische Autorin Olga Tokarczuk.

Ob das ramponierte Ansehen wieder hergestellt wird?

Ansonsten stehen auf den weiteren Plätzen die ewigen üblichen Verdächtigen von Margaret Atwood über Péter Nádas, Adonis, Haruki Murakami oder Ngugi Wa Thiong’o bis hin zu Milan Kundera und Peter Handke. Nichts Neues unter der Ladbrokes- und Akademie-Sonne also. Die Frage ist, welcher Tradition sich die fünf Externen bei ihrer Auswahl verpflichtet gefühlt haben, was ihr Literaturverständnis ist – ob sie eher klassisch orientiert sind, so wie es Ladbrokes im Großen und Ganzen vorgibt. Oder ob sie es mit dem neuen, erweiterten Literaturbegriff haben, den die alte Akademie trotz ihrer Kaputtheit und Selbstherrlichkeit erstaunlicherweise beförderte mit den Preisvergaben an den Sänger, Liedschreiber und Folk-Poeten Bob Dylan, an die mehr literaturdokumentarisch orientierte weißrussische Schriftstellerin Svetlana Alexijewitsch oder 2017 an den durchaus an Gefälligkeit und Entertainment interessierten britischen Schriftsteller Kazuo Ishiguro. Es könnte also Überraschungen geben. Aber war das jemals anders? Es könnten gar zwei Schriftstellerinnen gewählt werden, was zeitgemäß wäre.

Ob die Auswahl aber das ramponierte Ansehen der Schwedischen Akademie und des Literaturnobelpreises wieder herstellt? Schwer zu sagen. Sicher dürfte sein: Die weiße Flügeltür wird am Donnerstag um 13 Uhr aufgehen, dann der neue Ständige Sekretär der Akademie Mats Malm heraustreten und den Literaturnobelpreis 2018 an wen auch immer verkünden und den für 2019. Malm wird kurze Begründungen vorlesen und zu den Misshelligkeiten der letzten zwei Jahre kein Sterbenswörtchen verlieren.

Und dann darf die Literaturwelt wieder streiten.

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