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Kultur: Schwerelos

Starpianist Lang Lang bezirzt in der Philharmonie

Brahms also, 1. Klavierkonzert. Das liegt Lang Lang, denn der chinesische Pianist ist ein Teamplayer, Popstar hin oder her. Der Riesenwunderknabe schaut in die Musikerrunde, taucht unter und nimmt seine vertrackten, in die Orchester-Tutti verwobenen Passagen als Destillat und Kristallisation des Symphonischen – um bei den Soli flugs auf eine Insel der Seligen zu flüchten. Kein Widerpart, sondern Widerhall, kaum Kontrapunkt, stattdessen Kontemplation. Das d-Moll-Klavierkonzert hatten Lang Lang, Daniel Barenboim und die Staatskapelle bereits letzten Sommer im Konzerthaus aufgeführt. Glaubt man den Kritiken, war es schon da ein sammetweicher Brahms. Und auch in der Philharmonie fügt Lang Lang der berückend sämigen Konsistenz der Adagio-Elegie schwerelose Duftnoten hinzu, bezirzt das Festtage-Publikum mit Doppeltrillern und schüttelt das Synkopen-Thema des Rondos aus dem Handgelenk.

Wie sein Klavierspiel wohl klänge, wenn der 25-Jährige seine überschüssige Energie weniger in seine expressive Gestik als in den musikalischen Ausdruck investierte? Die wuchtigen Oktav- und Akkordrückungen stemmt Lang Lang mühelos, aber ihnen fehlt die innere Kraft. Mechanik der Emotion: Auch die hochsensibel austarierten allmählichen Verfertigungen des Piano aus dem Forte sind eine Spur zu kalkuliert. Als Zugabe schenkt Lang Lang seinen Fans „Isoldes Liebestod“ in Liszts Klavierfassung, mit der er schon im Februar in der Philharmonie betörte: ein Klangregisterwunder zu Beginn, eine Tändelei am Ende.

Wagners „Tristan“ auch nach der Pause. Barenboim macht eine Rolle rückwärts und entwickelt „Vorspiel und Liebestod“ aus Schönbergs „Fünf Stücken für Orchester“: der Tristan-Akkord aus dem Geist der Zwölfton-Musik. Ein schlüssiger, analytischer Ansatz, der schon bald Barenboims konvulsivischem Farbenzauber weicht. Hitzewallung, Seelenschauder, Ovationen. Christiane Peitz

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