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Kultur: Schwermut ohne Begehren

Von Peter Herbstreuth Noch immer gibt Elizabeth Peyton Rätsel auf: Sie porträtiert Spencer und entdeckt dabei Beziehungen zwischen Vögeln auf dem T-Shirt und Blumen im Glas (43 000 Euro). Doch die 1965 geborene New Yorkerin hat nach rund sieben erfolgreichen Jahren ein Problem, mit dem alle Senkrechtstarter irgendwann umgehen müssen.

Von Peter Herbstreuth

Noch immer gibt Elizabeth Peyton Rätsel auf: Sie porträtiert Spencer und entdeckt dabei Beziehungen zwischen Vögeln auf dem T-Shirt und Blumen im Glas (43 000 Euro). Doch die 1965 geborene New Yorkerin hat nach rund sieben erfolgreichen Jahren ein Problem, mit dem alle Senkrechtstarter irgendwann umgehen müssen. Weder taucht sie mit dem Duft des Neuen auf, noch mit der Aura der Hippness. Und die Freunde und Berühmten, die sie wie ein stiller Fan in lässigem Schick porträtiert (von Kurt Cobain bis Ludwig II.), geniessen in der Jungkünstlerszene keinen distinguierten Status mehr. Die Triade aus neu, hip, berühmt in Kombination mit Peytons entrückter Farbgebung und an der Modezeichung geschulten Figuration brachten ihr Einzelausstellungen in Kunsthäusern mit katalysierender Wirkung in Wolfsburg, Basel und Hamburg ein. Jetzt entfällt die Triade. Und die Galerie testet den Marktwert des Ruhms.

Man hätte es früher sehen können. Aber seit sie die Kutsche mit dem Sarg von Lady Diana aus erhöhter Perspektive diagonal ins Weiss des Bildgevierts setzte, lässt sich keines der Porträts mehr ansehen, ohne dass sich der Gedanke an das Vorübergehen aufdrängt. Damit reflektiert die Künstlerin ihren eigenen Stand am Markt mit einer Todesvision. So wie sie Freunde und Verehrte malt, will sie sie erinnert sehen – als Dokument verliebter Phantasie. Der Gedanke ist banal, wenn er verallgemeinert wird. Aber aus Peytons Perspektive ist kein Tod verallgemeinerbar, sondern singulär und nicht aufzuheben, es sei denn durch Zerstreutheit oder Vergessen. Sie malt gegen die destruktive Kraft der Zeit ihre Wahlverwandtschaften als erträumte Umgebung einer Großfamilie, um sie in den Sammlungen der Welt unsterblich zu machen.

Das Gewinnende ihrer Porträts verdankt sich dem Eindruck, sie habe sie nebenbei gemalt, an einem Nachmittag zu Hause, nur für sich. Die Beiläufigkeit, die sie wie zufällig in Eleganz gipfeln lässt, stellte das Verhältnis zwischen dem Gemeinten des Gesichts und dem Nichtgemeinten des Malgrunds her. Dazu passte das kleine Format ebenso wie das Skizzenhafte. Sie bewahren die Vorläufigkeit von Studien. Die Suggestion, dass es Wichtigeres gibt als die Kunstwelt – das Leben mit Freunden, Parties und Nichtstun – passte gut in die 1990er Jahre, in der so viele Künstler aus Ehrgeiz einen schief-verbissenen Mund bekamen. Denkt man an Maler ihrer Generation – Daniel Richter, Michel Majerus, Dirk Skreber – kommen sie einem wie Streber vor. Peyton kultiviert dagegen die lässige Eleganz wie Sylvie Fleury, die ihr Werk so zwanglos aussehen lässt, als sei es zwischen zwei Einkäufen entstanden.

Jedem gibt Peyton ein für die Öffentlichkeit bestimmtes Aussehen, sucht dabei aber den stillen Moment ihres eigenen Blicks. Sie feminisiert Männer und verleiht Frauen strenge Gesichtszüge. Damit bringt sie Designerideen der 1990er Jahre von Klein über Armani bis Karan ins Spiel. Man nennt es „unisex“, meint aber sexless. Der Körper ist ohne sichtbare Bedeutung. Hätten die Porträts nicht alle Vorn, man wüsste oft nicht, ob es sich um Mann oder Frau handelt. Sie malt keine Menschen, die schwitzen, keuchen, Nasenbluten haben, sondern ihre Vorstellung von Geliebten im Moment leichter Schwermut ohne Begehren: Miniaturen verhaltenen Glücks in Moll.

Jetzt hat sie mit Monotypie und Radierung zu arbeiten begonnen, klassischen Profi-Medien, die das Handwerk so herausstellen, als schriebe eine Dichterin ein Sonett oder ein Musiker eine Sonate. Der Anschein des Nebenbei ist vorbei. Wer Medien nutzt, die das zeichnerische Vermögen so brutal sichtbar machen, tut es immer als Profi. Peytons Vermögen liegt in der atmosphärischen Dichte der Farbe und der ewigen Vorstudie, nicht im Strich, der die Vorstellung mit der Präsenz des Körpers kurzschließt. Und es ist nun schwieriger, das Liebhaberische, dem das Werk seinen Charme und Rang verdankt, formal glaubwürdig zu halten. Die Ausstellung legt alles offen. Das macht sie sehenswert. Sie steht auf der Kippe. Man weiß nur nicht, auf der Kippe wohin.

Galerie neugerriemschneider, Linienstraße 155, bis 29. Juni; Dienstag bis Sonnabend 11-18 Uhr.

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