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Kultur: Seelenpein hat viele Zacken

„Il Trovatore“ konzertant in der Deutschen Oper.

Da denkt man immer: Bei konzertanten Opernaufführungen kann optisch nichts schiefgehen. Und dann dies! Bei Verdis „Trovatore“ in der Deutschen Oper sieht der Bariton mit lackschwarzer Matte und Henri-IV-Bärtchen aus wie die Karikatur eines Wrestlers, der Tenor ist pathologisch fettleibig (aber ohne pavarottischen Charme), die beiden Protagonistinnen haben sich tatsächlich in denselben Gardinenstoff gehüllt, und ein Dirigent in Hochwasserhosen ist der Meinung, auf den gnädig alle Problemzonen verhüllenden Frack verzichten zu können – mit dem Effekt, dass man ab dem zweiten Akt auf ein schweißnasses Hemd starren darf, das im Takt faltenreich am Maestrorücken hin und her ruckelt.

Unter solchen Bedingungen ist es selbst für Fans des szenelosen Musiktheaters nicht leicht, ganz Ohr zu bleiben. Am besten, man fokussiert sich auf den beseelten Gesang von Anja Harteros. Ihre Leonora ist keine ätherische Sopranjungfer, sondern eine reife, wissende Frau, in deren Melodien stets die Verletzlichkeit mitschwingt. Faszinierend, wie sie den Koloraturen musikdramatischen Sinn gibt: in der ersten Arie, um die bösen Vorahnungen ihrer Freundin durch aufgesetzte Heiterkeit zu überspielen, in der zweiten als Illustration ihrer emotional vielzackigen Seelenpein.

Auch Dolora Zajick zieht alle Aufmerksamkeit auf sich, sobald sie die Bühne betritt: Sie hat die größte Rollenerfahrung von allen – und eine Stimme, die in Schärfe und Präzision den japanischen Hocho- Spezialmessern gleicht. In den Azucena- Szenen gelingen auch dem jungen italienischen Dirigenten Andrea Battistoni seine besten Momente. Weil sich seine drängenden, mit eigenwilliger Gestik eingeforderten Tempi hier zu packender Intensität verdichten. Wichtige atmosphärische Akzente setzt zudem der von William Spaulding vorbereitete Chor.

Dalibor Jenis kann sein Prachtorgan wunderbar balsamisch strömen lassen – den brutalen Bösewicht aber glaubt man diesem Graf Luna keinen Takt lang. Wie viel profilierter wirkt daneben der kernige Bariton von Marko Mimica (Ferrando). Und Stuart Neill als Manrico? Wuchtet in der berüchtigten Cabaletta seinen Tenor zum hohen C wie ein Kugelstoßer. So was macht mächtig Eindruck. Schön aber ist das nicht. Frederik Hanssen

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