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Kultur: Segen der Planwirtschaft

So viel Geld war nie: Berlin bekommt ein Ausbildungszentrum für den zeitgenössischen Tanz

Von Sandra Luzina

Selten hatte man den Berliner Kultursenator Thomas Flierl so begeistert erlebt. Er konnte auch einen schönen Erfolg verkünden: Berlin erhält ein Ausbildungszentrum für den Tanz. Ermöglicht wird dies durch das Förderprogramm „Tanzplan Deutschland“ der Bundeskulturstiftung. Ein warmer Segen: Der „Tanzplan“ sieht vor, dass insgesamt 12,5 Millionen Euro in den kommenden fünf Jahren in Projekte zur Profilierung des Tanzes fließen. Ein Lieblingsprojekt der Bundeskulturstiftung, wie deren künstlerische Direktorin Hortensia Völckers betont.

Bevor die einzelnen Projekte zu greifen beginnen, hat der Tanzplan schon Bewegung in die Tanzszene gebracht. Denn so viel Geld floss nie. Seit den achtziger Jahren träumt man von einem solchen Schub für den zeitgenössischen Tanz. Nach der langwierigen Neuordnung des Opernballetts bekommt auch die freie Szene eine andere, zeitgemäße Gestalt. Sie war allerdings auch in den letzen Jahren schon außerordentlich erfolgreich, weit über Berlin hinaus – auch ohne feste Organisation. Jetzt will man sich konsolidieren.

Die Kulturpolitik reagiert flexibel und aufgeschlossen. Die neue Förderung funktioniert nach dem Prinzip des Matching: Städte konnten nur dann Fördergelder beantragen, wenn sie dieselbe Summe beisteuern. So wird zum Beispiel Hamburg für sein Choreografiezentrum 1,2 Mio Euro erhalten, die Kulturbehörde der Hansestadt packt noch einmal denselben Betrag drauf.

Neun Städte, darunter Düsseldorf, Bremen und Frankfurt am Main, konnten sich mit ihren Vorhaben durchsetzen, Berlin tanzte aus der Reihe, wollte mehr. „Berlin ist immer anders“, merkte Hortensia Völckers an. Die Hauptstadt hatte das ambitionierteste Projekt eingereicht und war zudem mit der größten Delegation angetanzt, um das Kuratorium zu überzeugen. Berlin hat die größte Tanzszene Deutschlands. Die Hauptstadt zieht internationale Tanz- und Performancekünstler an. Und nun will man in Berlin die Kräfte bündeln, den Erfolg festhalten und langfristig planen.

Die früher arg zersplitterte freie Szene hat sich zum „TanzRaum Berlin“ zusammengeschlossen. Deren Vorarbeit hat das Projekt überhaupt erst möglich gemacht. Immer wieder haben deren Vertreter darauf aufmerksam gemacht, dass in Berlin eine Ausbildung von Choreografen und Tänzern fehlt, die den heutigen Anforderungen entspricht. Im Dialog zwischen Kulturverwaltung, Hochschulen und TanzRaum-Initiative wurde ein Ausbildungskonzept entwickelt, dass durch hochschulübergreifende Kooperationen, neue Ausbildungsinhalte und große Praxisnähe charakterisiert ist. Das im Entstehen begriffene Zentrum stellt den Versuch dar, das vorhandene Potenzial besser zu nutzen und zugleich einen Qualitätssprung zu erreichen. An dem Pilotprojekt werden neben der Hochschule für Schauspielkunst „Ernst Busch“, der Universität der Künste und der Staatlichen Ballettschule auch Künstler der freien Szene beteiligt sein. Sasha Waltz, die nach ihrer Loslösung von der Schaubühne vom Hauptstadtkulturfonds profitiert, der ebenfalls einen Tanzschwerpunkt setzt, hat ihre Mitarbeit zugesagt. Beraten wird das Tanzzentrum von einem internationalen Beirat, dem der Choreograf William Forsythe angehören wird; Forsythe gastiert zur Zeit bei den Berliner Festspielen.

Berlin wird in den kommenden vier Jahren 1,2 Millionen Euro aus Landesmitteln beisteuern, was knapp 60 Prozent der Gesamtkosten entspricht. „Dies ist frisches Geld“, betonte die Staatssekretärin für Kultur Barbara Kisseler. Die Mittel werden nicht an anderer Stelle der Tanzszene wieder genommen.

Die Bundeskulturstiftung wird das Projekt in seiner ersten Entwicklungsphase bis Ende 2006 zunächst mit 260 000 Euro fördern. Danach wird evaluiert. Insgesamt ist rund eine Million Euro für das Berliner Zentrum reserviert, sagt Madeline Ritter, die Projektleiterin des Tanzplans. Sie verteilt reichlich Lob an die Berliner Tanzaktivisten: Das Ausbildungsprojekt sei ein Paradebeispiel dafür, was mit Hilfe des Tanzplans auf die Beine gestellt werden könne.

Es war das erste Mal, dass der Kultursenator gemeinsam mit dem für Hochschulen zuständigen Abteilungsleiter eine Neugründung vorstellen konnte. Bernhard Kleber betont, dass bei der maßgeblichen Einbeziehung der freien Szene Neuland betreten werde. Die Zusammenarbeit sei „anstrengend, aber notwendig.“ Besondere Anstrengungen sind wohl auch notwendig, denn immerhin soll eine Ausbildungsstätte mit Modellcharakter für ganz Deutschland entstehen.

„Die Gesamtkonstruktion ist ein Abenteuer“, räumt Flierl ein. Geht alles nach Plan, dann können schon im Herbst 18 Bachelor- und sieben Master-Studenten ihr Studium aufnehmen.

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