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Kultur: Sein Jahrhundertbau ist nicht zu ignorieren

Die Preisverleihung finder - natürlich - im Jüdischen Museum Berlin stattFalk Jaeger Es ist nicht die erste Auszeichnung, die Daniel Libeskind für das Jüdische Museum überreicht wird, es wird wohl auch nicht die letzte sein. Die Juroren müssten schon die Sonnenbrille aufsetzen, ein Auge zuhalten und krampfhaft in die andere Richtung schauen, wollten sie Libeskinds Jahrhundertbau ignorieren.

Die Preisverleihung finder - natürlich - im Jüdischen Museum Berlin stattFalk Jaeger

Es ist nicht die erste Auszeichnung, die Daniel Libeskind für das Jüdische Museum überreicht wird, es wird wohl auch nicht die letzte sein. Die Juroren müssten schon die Sonnenbrille aufsetzen, ein Auge zuhalten und krampfhaft in die andere Richtung schauen, wollten sie Libeskinds Jahrhundertbau ignorieren. Niemand kann sich derzeit dem in Fachkreisen kodifizierten, dazu noch von der öffentlichen Meinung gestützten Qualitätsurteil entziehen. Dabei handelt es sich sicher nicht um ein über jeden Zweifel erhabenes Bauwerk, bei dem keinerlei berechtigte Kritik denkbar wäre; ein langfristig gültiges Urteil ist aus zeitgenössischer Sicht ohnehin nicht möglich. Bezüglich seiner Popularität ist jedoch höchstens auf internationaler Ebene Konkurrenz auszumachen, in Bilbao etwa. Daniel Libeskind ist - nicht nur in Berlin - auf der Höhe der allgemeinen Wertschätzung angekommen.

Das Jüdische Museum wurde also mit dem renommierten Deutschen Architekturpreis bedacht, der, ausgelobt von der Essener Ruhrgas AG, am morgigen Dienstag in Anwesenheit von Bundespräsident Rau ebendort verliehen wird. Die Preisrichter unter Vorsitz des Architekturhistorikers Werner Durth werden nicht müde, die Vorzüge des Bauwerks zu preisen; dies in Berlin und an dieser Stelle aufs Neue zu wiederholen, kann getrost unterbleiben. Eine andere Frage stellt sich ganz automatisch: Was kommt nach einem solchen großen Wurf?

Libeskind, der ruhelose Wanderer zwischen den Kontinenten, jettet inzwischen nicht nur zwischen den renommiertesten Hochschulen dieser Welt hin und her, er hat nun auch allenthalben Bauherren und Baustellen Besuche abzustatten. Sein Berliner Referenzbau war ja, abgesehen von einem Ausstellungsgebäude in Japan, der erste in Beton, Zink und Glas umgesetzte Entwurf des bereits vor Baubeginn weltberühmten Architekturdenkers. Das Felix-Nußbaum-Museum in Osnabrück, ein zwar bescheidenerer, doch kaum weniger engagierter und durchaus vergleichbarer Erweiterungsbau eines bestehenden Museums, wuchs gleichsam im Windschatten des Berliner Planungs- und Bauspektakels wenig beachtet - aber rascher - heran und konnte früher eröffnet werden.

Mehr Aufsehen wird wohl die Bremer Philharmonie machen, die Libeskind neben der Stadthalle des Wieners Roland Rainer errichten wird. Hier wie in Berlin und Osnabrück sind es die urbanen Bezüge und ideellen topologischen Verbindungen, die mit dem Bauwerk thematisiert werden. Daniel Libeskind versteht es wie kein zweiter, seine Entwürfe mit ganzen Paketen und zuweilen schwer lastenden Bündeln von Bedeutungen aufzuladen, mit geschichtlichen, philosophischen, topologischen Bezügen in den gesamtkulturellen Kontext einer Situation untrennbar einzustanzen.

Wohl diese Offenheit für das Schicksal von Orten und Menschen prädestiniert ihn für die Aufgabe, Museen und Orte des Gedenkens zu entwerfen. In Sachsenhausen hat man ihm den Bebauungsplanentwurf für das ehemalige SS-Truppenlager aufgetragen. Ein weiteres Jüdisches Museum ist für San Francisco in Arbeit und soll im Jahr 2005 zur Eröffnung kommen.

Schon 2002 wird das Publikum die Kriege des 20. Jahrhunderts im Imperial War Museum in Manchester nacherleben können - angesichts der weltkriegslüsternen Grundstimmung in der englischen Öffentlichkeit eine kaum weniger heikle Aufgabe als jene, einen Ort zu schaffen, der die Gräuel von Sachsenhausen wach zu halten vermag. Libeskind zerbrach einen Globus und arrangierte die Scherben zu einem Museumsbau, nach dem Willen des Architekten Publikumsattraktion und Ausdruck für den Ernst des Krieges zugleich. Es wird an der Museumsleitung sein, die Intention des Museums in die richtige Bahn zu lenken.

Der anfängliche Disput um Libeskinds störrischen Anbau an das barocke Berlin-Museum in der Kreuzberger Lindenstraße war ein Kaffeekränzchen gegen die "Schlacht", die Libeskind in London gegen die Boulevardpresse und eine konservativ gestimmte Öffentlichkeit durchzustehen hat. Dort geht es um den Erweiterungsbau für das Victoria & Albert Museum, ein marginales Gebäude, gemessen am aus zwei Dutzend Trakten bestehenden Ensemble der herrscherlichen Museumsanlage. Für die Baulückenschließung hat sich Daniel Libeskind ein spiralförmig aufgetürmtes Kubengewirr ausgedacht, das mit dem ehrwürdigen historistischen Museumpalast so wenig gemein hat wie der Punk mit dem Hofmarschall. Der "Karbunkel" im Gesicht der Stadt, wie sich der Prinz of Wales in der Öffentlichkeit abschätzig auszudrücken pflegt, verkörpert in Libeskinds Augen jedoch die notwendige Verbindung von Tradition und Zukunft. Die Spirale wird nicht nur faszinierende Innenräume für verschiedenste Nutzungen bieten, sondern soll auch ein Symbol sein für die Verbindung von Kunst und Handwerk mit dem 21. Jahrhundert.

Eines ist freilich nicht schwierig zu prophezeien: Durch die Attraktion des Anbaus wird das angejahrte Museum einen ungeahnten Besucheranstieg erleben und die quirlige Spirale wie ein Wirbelwind den Staub aus dem in Tradition erstarrten Kunsthandwerkmuseum blasen. Das wird dann auch die Londoner Boulevardpresse bejubeln; so flexibel war sie schon immer.

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