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Kultur: Seine Musik ist die Suche nach Liebe

Berliner Gedenkkonzert für Hans Werner Henze.

„64 Vorhänge und ein 25 Minuten langer Meinungsstreit“ zwischen begeisterter Mehrheit und einer „Wir wollen Lohengrin“ schreienden Minderheit haben 1956 die Uraufführung von Hans Werner Henzes „König Hirsch“ quittiert, so berichtet H.H. Stuckenschmidt. Mit diesem Sturm eroberte sich der junge Mann aus Gütersloh die Westberliner Oper (damals noch an der Kantstraße), um ihr fortan als eine Art Hauskomponist zur Seite zu sein. Um für sie zu denken und zu schreiben, den „Jungen Lord“ zum Beispiel mit dem Libretto Ingeborg Bachmanns. Es war eine Hommage an das Ensemble, ein Stück, das jedem einzelnen Darsteller auf den Leib geschrieben schien.

„Berlin ruft mich“, habe der große Komponist noch seiner Umgebung vermittelt, da die Deutsche Oper am 20. Oktober 2012 ihr 100-jähriges Bestehen feierte. Er konnte nicht mehr kommen. Am 27. Oktober ist er in Dresden gestorben.

Die Gedenkfeier in der Deutschen Oper wird gemeinsam mit den Berliner Philharmonikern, der Staatsoper und dem Deutschen Symphonie-Orchester veranstaltet.

André Schmitz spricht dankbar von den Jahrzehnten der Verbundenheit des in Italien wohnenden Komponisten mit Deutschland Ost und West, speziell Berlin, wo das Rias-Symphonie-Orchester (heute DSO) 1951 die erste Uraufführung von Henze gespielt hat. Composer in Residence bei den Philharmonikern, ihr ständiger Gast. Wie schön sieht sein junges, konzentriertes Gesicht aus! Auf den Hintergrund projiziert, erscheint es mit Gustav Rudolf Sellner, dem Regisseur seiner Opern, und seiner Dichterin.

„Wer mit Emotionen arbeitet, muss auch welche haben“, entschuldigt sich Volker Schlöndorff wegen seiner Bewegtheit. Die reichen „Erinnerungen“ gelangen von gemeinsamer Arbeit am Schneidetisch für den Film „Der junge Törless“, über Politik im Kalten Krieg in Berlin zu Kritik an der eigenen Regie der Oper „We come to the River“. Eine Lebensfreundschaft: „Fast alle Musik von Hans ist die Suche nach Liebe.“ Die Lesung von Jürgen Flimm und Martina Gedeck aus dem Briefwechsel Henze-Bachmann lässt den Atem stocken, da die Suche nach Schönheit von den furchtbarsten Krisen zwischen Mann und Frau erschüttert wird: Er zieht seinen Heiratsantrag zurück , sie zerbricht an der Beziehung zu Max Frisch, von der sie sich „Normales“ versprochen hat, Suizidversuch, Hilferuf.

Dem Mozart-Verehrer Henze spielt das Orchester der Deutschen Oper unter Donald Runnicles eine blitzblanke „Zauberflöten“-Ouvertüre, von ihm selbst das ihm seit je treu ergebene Scharoun-Ensemble „Quattro Fantasie“, Musik für Interpreten, die sich in ihr wohlfühlen. Dem Lehrer Henze hat Detlev Glanert sein 2. Streichquartett zugeeignet, „ein liebevolles letztes Adieu“: Verstummen, Schmerz, Pianissimo, vom Adamello- Quartett akkurat vorgetragen.

Die letzte Komposition Hans Werner Henzes galt dem Jubiläum der Deutschen Oper. Und wie sie jetzt noch einmal erklingt, scheint die „Ouvertüre zu einem Theater“ seine Botschaft auszusprechen: Vorhang auf! Sybill Mahlke

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