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Kultur: Seine Träume unterliefen die Zensur

Zwei Gruppen von Tänzerinnen stampfen den Flamenco, sie rücken gegeneinander vor, und diese Performance, sie dauert fast drei Minuten, bleibt faszinierend bis zur letzten Sekunde, weil ihr Rhythmus die Emotionen perfekt zu transportieren vermag. "Carmen", 1983 als freie Adaptation der Novelle von Prosper Mérimée und der Oper von Georges Bizet gedreht, war der bisher erfolgreichste Film von Carlos Saura, das Mittelstück einer mit dem Choreografen Antonio Gades realisierten Tanztrilogie, nach "Bodas de sangre" (Bluthochzeit) auf der Grundlage des Stücks von Federico Garcia Lorca und vor "Liebeszauber" nach dem Ballett von Manuel de Falla.

Zwei Gruppen von Tänzerinnen stampfen den Flamenco, sie rücken gegeneinander vor, und diese Performance, sie dauert fast drei Minuten, bleibt faszinierend bis zur letzten Sekunde, weil ihr Rhythmus die Emotionen perfekt zu transportieren vermag. "Carmen", 1983 als freie Adaptation der Novelle von Prosper Mérimée und der Oper von Georges Bizet gedreht, war der bisher erfolgreichste Film von Carlos Saura, das Mittelstück einer mit dem Choreografen Antonio Gades realisierten Tanztrilogie, nach "Bodas de sangre" (Bluthochzeit) auf der Grundlage des Stücks von Federico Garcia Lorca und vor "Liebeszauber" nach dem Ballett von Manuel de Falla. Ein Dutzend Jahre später machte Saura noch einmal einen Tanzfilm, "Tango", aber der Zauber von "Carmen" wollte sich trotz der Bilder von Vittorio Storaro nicht mehr einstellen.

Der Sohn eines Rechtsanwalts und einer Pianistin, der Bruder des Malers Antonio Saura ist vor allem ein Augenmensch. Geschult an Filmen Luis Buñuels und der Malerei Goyas, dem er noch 1999 einen Film der überwältigend schönen Bilder widmete, hatte er als Fotograf angefangen, ehe er an der Filmhochschule Madrid Regie studierte. Schon sein Debüt "Die Straßenjungen" erregte mit unerbittlichem Realismus genauso den Widerstand der Zensur unter der Herrschaft von Franco wie fast alle seine späteren Filme, von "Die Jagd" bis "Züchte Raben", seinem letzten Film vor Francos Tod. Seine gesellschaftskritischen Sujets haben immer den Spielraum ertastet und ausgenutzt, den die frankistische Zensur ihnen ließ, die sich gegen Ende von Francos Herrschaft zunehmend milderte. Da aber hatte Saura schon seine spezifische Sprache des "spanischen Realismus" entwickelt, mit der er die Zensur unterlief, ein Stil, der sich vom italienischen Neorealismus dadurch unterscheidet, dass realistisch nicht nur das den Augen Offensichtliche ist, sondern auch Visionen, Träume, Verschiebungen der Ebenen, etwa der Zeit. Davon leben unvergleichliche Filme wie "Cousine Angélica", wie "Züchte Raben", in denen erwachsene Darsteller sich selbst in ihrer Kindheit spielen. Die Mühelosigkeit, mit der das inszeniert ist, gründet in dem Bewusstsein, dass in der Gegenwart stets auch die Vergangenheit vorhanden ist, die Vergangenheit des Bürgerkriegs.

Neun seiner bisher rund dreißig Filme hat Carlos Saura mit Geraldine Chaplin als Hauptdarstellerin realisiert. Sie war zwölf Jahre lang seine Lebensgefährtin. Als diese Lebens- und Arbeitsgemeinschaft zu Ende ging, war der Einschnitt so scharf wie der vom Ende der Zensur. So musste sich Carlos Saura immer mal wieder selbst erneuern, als der bedeutendste spanische Filmemacher seit Buñuel.

PETER W.JANSEN

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