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Kultur: Selbstmörder-Witz

Brechts "Brotladen" mit Ernst-Busch-Schauspielschülern im batVON CHRISTOPH FUNKEKlassenkampf mit hurtiger Beredsamkeit: Brecht sitzt in seinem Fragment "Der Brotladen" aus der Zeit der Weltwirtschaftskrise den Parolen parteipolitischer Auseinandersetzung nicht auf.Ihn interessiert, wie der Mechanismus der Ausbeutung abläuft: gut geschmiert.

Brechts "Brotladen" mit Ernst-Busch-Schauspielschülern im batVON CHRISTOPH FUNKEKlassenkampf mit hurtiger Beredsamkeit: Brecht sitzt in seinem Fragment "Der Brotladen" aus der Zeit der Weltwirtschaftskrise den Parolen parteipolitischer Auseinandersetzung nicht auf.Ihn interessiert, wie der Mechanismus der Ausbeutung abläuft: gut geschmiert.Deshalb darf das Ungeheure mit feinem, selbstmörderischem Humor serviert werden.Als Endstation kommt nur der Himmel in Betracht, unter dem Gesäusel der geschäftstüchtigen Heilsarmee.Wenn Flamm, der Immobilienagent, Kredite kündigt mit erlesener Höflichkeit, dann begründet er das: weil "der Staat schon mit dem Gedanken spielt, sogar von der Industrie Steuern zu verlangen, und, was überhaupt seit Menschengedenken nicht vorgekommen ist, sogar schon der Plan besteht, diese Steuern wirklich einzutreiben".Ein Satz, der als Kommentar zu heutigen ökonomischen Verstrickungen durchgehen könnte. Brecht läßt die Verhältnisse, in denen der Bäckermeister Meininger über die Witwe Queck mit ihren vielen Kindern triumphiert, durchaus auch mit der Polizei verteidigen.Aber er wehrt sich nicht gegen die Einsicht, daß die nach Veränderung schreienden Verhältnisse in sich merkwürdig sicher sind.Der Zeitungsjunge Washington Meyer mag mit glühend proletarischem Bewußtsein zum Kampf auffordern und den Sturm auf den Brotladen anführen - er wird doch nur erschossen, und Arbeitslose, Heilsarmee, bessergestellte Mieter sorgen gemeinsam dafür, daß alles beim Alten bleibt. Das Fragment vom "Brotladen" als Lehrstück von der Unbelehrbarkeit des Menschen? Manfred Karge und Matthias Langhoff lasen es bei der Uraufführung der von ihnen hergestellten Fassung am 13.April 1967 im BE eher als ein zum Aufgeben und Durchschauen falschen Handelns angelegtes Spiel.Heute fasziniert die nüchtern geschwinde, unpathetisch überlegene Art, mit der Brecht Gesetze des Zusammenlebens auf die Bühne bringt und dabei bequemen Wertungen ausweicht: in einigen ausgearbeiteten Szenen.Das Konvolut der Entwürfe, Notizen, Beschreibungen, Lieder aus zwei Arbeitsphasen (1929, 1930), umfaßt in der Großen Brecht-Ausgabe fast 100 Seiten.Eine durchgängige Handlung ergibt sich nicht, auch die Szenen-Montage der Uraufführung betonte das Unfertige. Mit Studenten der Theater Akademie Helsinki hat sich Manfred Karge dem Fragment erneut genährt.Unter seiner Leitung inszenierten Regiestudenten der Hochschule "Ernst Busch" den Prolog und sieben Teilstücke.Alles geht aus dem Chor der 15 Darsteller hervor und findet in ihn zurück, die großen Rollen - Witwe Queck, Washington Meyer, Bäcker Meininger sind von Bild zu Bild anders besetzt.Gesprochen wird finnisch, mit Einsprengseln in deutsch und englisch - körperliche Versinnlichung der Situationen steht im Mittelpunkt.Die Studenten schaffen Räume aus den quadratischen faltbaren Segmenten des Bühnenbodens, sind Beobachter, Mitwirkende, bilden eine Gemeinschaft, trennen sich in feindliche Gruppen, geben die "Helden" ab, nehmen sie wieder zurück.Impulsiv wird gespielt, rhythmisch exakt.Die Heilsarmee ist eine bis zur Blödheit lächelnde Truppe, Arbeitslose gefallen sich in kämpferischen Posen.Polizisten töten durch Zusammenschlagen der Hände.Leichtigkeit des Textes ist aufgenommen, auch die Wucht sozialer Gegensätze, in Liedern und Chören zur energiegeladenen Musik von Toni Edelmann, Jukka Hannukainen und Joonas Pirttilá.Die Gruppe erarbeitet sich mit Witz eine temperamentvolle Verständigung über Grundfragen des heutigen Alltags. Bis 28.11.jeweils 19 Uhr 30.

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