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Kultur: Selbstmord

Unheimlich ist uns der politische Islamismus ja schon lange. Da denken wir an bärtige Gestalten mit einem Turban, die mit Demokratie und anderen Freiheitsrechten nicht viel am Hut haben, aber überall an die Macht wollen.

Unheimlich ist uns der politische Islamismus ja schon lange. Da denken wir an bärtige Gestalten mit einem Turban, die mit Demokratie und anderen Freiheitsrechten nicht viel am Hut haben, aber überall an die Macht wollen. Richtig bedrohlich wirkt dieser Fundamentalismus, seit es muslimischen Kämpfern 1989 gelang, die einst so ruhmreichen Soldaten der Sowjetunion aus Afghanistan hinaus zu jagen. Der Islamismus ringt den Kommunismus nieder. Eine neue Geißel der Menschheit löst die alten Gespenster ab.

Kein Wunder, dass der Westen überall schon Talibankrieger auf dem Vormarsch sah. Es schien nur eine Frage der Zeit, bis auch Länder wie Ägypten, Algerien oder Sudan der Bewegung zum Opfer fallen würden. Eine Schreckensvision, die sich nicht bewahrheitete. Das Gegenteil ist der Fall, glaubt der französische Islamforscher Gilles Kepel. Der Niedergang des Islam als politische Bewegung habe bereits vor Jahren begonnen. Der unbewusste Akt der Selbstzerstörung, der Selbstmord sei in vollem Gange, schreibt Kepel in seinem soeben erschienenen Buch ("Das Schwarzbuch des Dschihad", Piper Verlag). Auch die schrecklichen Anschläge am 11. September hält er für ein Zeichen der Kraftlosigkeit. Was auch an die RAF erinnert. Die tauchte auf, als der Kommunismus als Leitideologie bereits dahindämmerte. Gewalt und Terror aus Schwäche.

Gescheitert ist der politische Islamismus an seiner Unfähigkeit, die Macht zu übernehmen. Und ihm fehlt die soziale Basis. Mitte der achtziger Jahre war das noch anders. Damals gelang es den Fundamentalisten, die städtischen Mittelschichten, mittellose Jugendliche und Intellektuelle unter einem Ziel zu einen: dem Regierungswechsel im Namen des Islam. Doch daraus wurde nichts. Mit der Zeit radikalisierten und verselbstständigten sich deshalb die Gewalttäter. Bürgerkrieg in Algerien, Intifada in den Palästinensergebieten, der Anschlag auf das World Trade Center 1993, die Machtübernahme der Taliban 1996. Den frommen Mittelschichten war das zu viel. Sie sagten sich von der Bewegung los. Die jungen islamistischen Helden von einst hielt man nur noch für raubende und mordende Banditen. Und dann eine Gesellschaft, die Schleier und Scharia vorschreibt - nein danke. Da mochten sich die Basarhändler und Ingenieure doch lieber mit den ungeliebten alten Machthabern arrangieren.

Der radikale Islam ist politisch gescheitert, zumindest vorerst. Das macht Mut. Richtig beruhigend ist es aber nicht. Zum einen können die Extremisten immer noch labile Regime destabilisieren. Zum anderen reagieren die militanten Fundamentalisten auf ihre Erfolgslosigkeit mit weiterer Gewalt. Daran wird sich nichts ändern. Die sozialen und politischen Konflikte, die auch den terroristischen Islamismus hervorbrachten, sind nicht aus der Welt.

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