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Seong-Jin Cho

© AFP/Janek Skarzynski

Seong-Jin Cho im Kammermusiksaal: Billiges Spiel mit Oberflächenreizen

Pianist Seong-Jin Cho hat bisher viele Lorbeeren gesammelt. Was man im Kammermusiksaal am Dienstag nicht nachvollziehen kann. Dort zertrümmert er Debussy.

Springen Newcomer für Prominente ein, gilt das in der klassischen Musik oft als Ritterschlag, als Kickstart für die eigene Karriere. 2017 bekam der junge koreanische Pianist Seong-Jin Cho die Chance, statt des erkrankten Lang Lang mit den Berliner Philharmonikern Ravels Klavierkonzert G-Dur aufzuführen. Dass die Legenden, die aus solchen Auftritten gern gestrickt werden, nicht unbedingt eine Basis in der Realität haben müssen, war jetzt im Kammermusiksaal zu erleben. Dorthin haben die Philharmoniker Cho für einen Soloabend eingeladen.

Anfängliches Befremden weicht schnell echtem, physisch empfundenem Schmerz, hört man, was Cho mit Schubert veranstaltet. Dessen Wanderer-Fantasie D 760 ist eigentlich tönend gefasste Einsamkeit. Cho drischt vom ersten Takt an auf den Steinway ein, als wolle er ihn zertrümmern. Es wird laut, sehr laut. Wohlwollend könnte man diese Interpretation „vitalistisch“ nennen. Doch Musik lebt vom Differenzieren, von den leisen Tönen. Dies ist eher eine Disney-Version von Schubert, alles prall, alles mit Hochdruck gespielt, Zwischentöne und der typisch Schubert’sche Zweifel haben keinen Platz. Offenbar glaubt Cho damit auf internationalen Konzertbühnen abräumen zu können. Ein grandioses Missverständnis.

Noch unter Schock fragt man sich bang: Was wird das für Debussy bedeuten, für seine fragilen „Images“ und „Préludes“, in denen er Naturphänomenen wie Wasserreflexionen und dem Laut des Windes nachspürt, die er wohlweislich mit Bezeichnungen wie „sans rigueur“ oder „très calme et doucement“ charakterisiert hat? Cho scheint zu spüren, dass er hier einen anderen Ansatz braucht. Doch seine Zurücknahme bleibt Camouflage. Der aggressive Anschlag lauert bei ihm stets unter der Oberfläche, und das einzige Naturphänomen, das er zu kennen scheint, ist der Vulkanausbruch. Ein Spiel mit billigen Oberflächenreizen, das, wenn Cho mal im Druck nachlässt, nichtssagend wird.

Schließlich Mussorgskys Zyklus „Bilder einer Ausstellung“. Die Musik des Russen, der Schönheit in der Kunst als „Kinderei“ bezeichnet hat, ist robuster. Ausgerechnet hier, im „Vecchio Castello“, zeigt Cho, dass er auch zu sanften Farbtupfern in der Lage sein kann. Beim finalen „Großen Tor von Kiew“ passen seine Donnerschläge, zum ersten und einzigen Mal. Würde man sie isoliert hören, man wäre beeindruckt.

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