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Kultur: Shoppen und Stricken

Nur Laufmaschen: John Jasperse bei KörperStimmen im PodewilVON MANUEL BRUGIm letzten Jahr hat der amerikanische Choreograph John Jasperse auch in Berlin mit seinem heiteren Fesselungsspiel "Excessoires", bei dem das Vorzeigen primärer und sekundärer Geschlechtsmerkmale nicht zu kurz kam, eine durchaus bedenkenswerte Retro-Betrachtung über neues Körperbewußtsein vorgetragen.Nun war er wieder da, diesmal beim Festival "KörperStimmen" im Podewil.

Nur Laufmaschen: John Jasperse bei KörperStimmen im PodewilVON MANUEL BRUGIm letzten Jahr hat der amerikanische Choreograph John Jasperse auch in Berlin mit seinem heiteren Fesselungsspiel "Excessoires", bei dem das Vorzeigen primärer und sekundärer Geschlechtsmerkmale nicht zu kurz kam, eine durchaus bedenkenswerte Retro-Betrachtung über neues Körperbewußtsein vorgetragen.Nun war er wieder da, diesmal beim Festival "KörperStimmen" im Podewil.Doch sein locker gefügtes, knapp einstündiges Bewegungsgeflecht "Waving to you from here", blieb weit hinter den Erwartungen zurück. Ein fünfstufiges Podest, über dem ein mal grün, mal gelb angleuchteter Plafond aus Lochblechen hängt, hat der Choreograph installiert.Zwischen jedem der fünf, immer kürzeren Teile fällt die Decke ein gutes Stück herunter, bis die vier Tänzer in ihren bunten Leibchen nur noch darunter kriechen können.Zunächst werden die auf dem Boden ausgelegten Zeitungen systematisch und in starrer Reihe eingesammelt, dann lümmeln die vier, darunter Jasperse selbst als einziger Mann, auf den Stufen.Von jetzt an wirkt alles schlaff, lieb und unbedarft.Man lehnt sich aneinander, rollt und tollt herum, immer behutsam und auf Tuchfühlung.James Jo collagiert dazu beliebige Geräuschkulissen, vom tobenden Fußballstadion über Kindergreinen, Telefonklingeln, Hundegebell, Insektengebrummel bis hin zu startenden Düsenflugzeugen.Die Protagonisten lassen sich nicht aus den Augen, reagieren aufeinander, tummeln sich, halten den eigenen Gliederapparat gleichförmig im Fluß. Der zweite Teil bietet ein paar Sprünge, ansonsten bleibt technisch alles auf Bodenexercise-Niveau.Der Abend als Übersprunghandlung "to you from here" eben: nur kinetische Energie, kein dramaturgisches Konzept.Das Zusehen ermüdet.Die einen sortieren Bücherstapel, andere schleppen Einkaufspakete; der Choreograph fädelt Bewegungen aneinander und läßt Maschen fallen.Wo beim letzen Mal eine fröhliche, anarchistisch überhauchte Zeigefreudigkeit herrschte, gibt es diesmal nur Shoppen und Stricken.Handwerk, mehr nicht.

MANUEL BRUG

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