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Kultur: Showdown mit Stock

Thomas Willmanns Alpen-Krimi „Das finstere Tal“

Wenn Bauernhöfe unter lastendem Schnee kauern wie bösartige Tiere, wenn Wolkenfronten hinter Höhen hervorbrodeln wie überkochende Milch, wenn Wildbäche rauschen und tyrannische Bauern Kätzchen „derschmeißen“, dann ist man im pittoresken Reich des bayerischen Alpen-Krimis. Titel wie „Föhnlage“, „Hochsaison“, „Tod auf der Piste“ oder „Tod in Garmisch“, Bergdramen wie „Schattwand“ von Urs Augstburger oder Andrea Maria Schenkels Einödhof-Mordsaga „Tannöd“ summieren sich inzwischen zu einem eigenen Genre. Stilistisch arbeitet es mit Versatzstücken des Heimatromans, der Detektivsatire und des Psycho- und Dokudramas.

Thomas Willmann packt in seinem Romandebüt „Das finstere Tal“ noch ein weiteres Genre ins Gebirge: den Western. Sein Held, der Kunstmaler Greider, ist der klassische Fremde, der wortkarg in den Ort reitet, um, nach einer angemessenen Zeit des Beobachtens, alle totgeschwiegenen Leichen aus dem Keller der weltabgeschiedenen Gemeinschaft zu holen – und für neue Leichen zu sorgen. Im Durchnummerieren erahnbarer Todesfälle vor dem finalen Showdown gleichen sich Krimi- und Westernritual.

Die leichenfreie erste Buchhälfte ist allerdings die interessantere. Da bringt Willmann Greiders zeichnerische Erkundung des Dorfs, in dem er als Gast einer Witwe und ihrer Tochter unterkommt, in einen schönen langsamen Erzählrhythmus, der abbildet, wie das Tal langsam in Winterstarre fällt. Thomas Willmann liefert dabei zwar auch kitschige Personen- und Naturbeschreibungen wie „Augen, deren Blau so tief war wie ihre Güte“, seinem Alpen-Western aber schadet das nicht.

Im Gegensatz zur arg früh einsetzenden Erkenntnis, dass Greider kein Künstler ist, sondern ein eiskalter Racheengel, der eine alte Rechnung mit dem grausamen Gott des Tals, dem Brenner-Bauern, begleicht. Erklärt wird das in manierierten Rückblenden, die der Autor, ein Münchner Filmjournalist, zum endlosen blutigen Finale fein filmisch parallel montiert. Willmanns Schutzheilige sind denn auch Ludwig Ganghofer und Sergio Leone. Ersterem wäre „Das finstere Tal“ mit seinem willentlich unerlösten Helden sicher viel zu kalt. Für Sergio Leone ist zu viel Erklärkram drin. Gunda Bartels

Thomas Willmann: Das finstere Tal.

Roman. Verlag Liebeskind, München 2010. 320 Seiten, 19,80 €.

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