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Der Rapper Sido, der eigentlich Paul Hartmut Würdig heißt.

© Lennart Brede / Universal Music

Sidos Weihnachtskonzert in Berlin: Wart ihr auch alle schön Aggro?

Eher Après-Ski-Party als Rap-Konzert: Sido spielt in der ausverkauften Berliner Columbiahalle die erste von drei Weihnachtsshows.

Rauchschwaden steigen vor der weihnachtlich geschmückten Columbiahalle in die Luft. Schnell noch einen kiffen, den letzten Schluck Bier austrinken und dann los zu Sidos Weihnachtsshow, so halten es viele Fans. In der Halle drängen sich Menschen unterschiedlicher Altersgruppen. Einige Jugendliche haben Weihnachtsmützen auf oder Lichterketten um den Hals hängen. Eine vierköpfige Familie macht Selfies vor der Bar, stiernackige Männer mit Silberketten trinken Bier aus Ein-Liter-Bechern.

In der Diversität seines Publikums spiegelt sich Sidos Karriere. Anfang der Nuller Jahre brachten er und andere Rapper des Labels „Aggro Berlin“ deutschen Gangsta- und Battle-Rap in den Mainstream. Der große Durchbruch kam 2004 mit „Mein Block“ über sein Leben im Märkischen Viertel. Inzwischen wohnt Sido mit Frau und Kindern in einem Vorort von Berlin und hat seine Musik dem neuen Lebensstil angepasst. Er macht Musik für die Massen, irgendwo zwischen Pop, Schlager und Conscious Rap. Und es funktioniert: Alle drei seiner Weihnachtsshows sind ausverkauft.

Wenig für Fans aus Aggro-Zeiten

Los geht Sidos Show vielversprechend mit dem „Weihnachtssong“, einer seiner frühsten Erfolge, in denen er davon rappt, die „Nase voller Schnee“ zu haben und an Weihnachten in die Häuser reicher Leute einzubrechen, die im Ski-Urlaub sind. „Wart ihr auch alle schön Aggro?“, fragt der Rapper, bevor er aus dem Kamin auf die Bühne hervorsteigt. Das Bühnenbild ist ein festlich geschmücktes Wohnzimmer, mit einem Weihnachtsbaum, der laut Sido komplett aus Hanf besteht. Die Band trägt Weihnachtspullis, genau wie die zahlreichen Gaststars, die sich die Ehre geben und danach auf der Couch platznehmen, darunter Kool Savas, mit dem Sido 2017 ein ganzes Album aufnahm, und der Berliner Sänger Adel Tawil.

Für seine Fans aus Aggro-Zeiten hat der Rapper wenig im Gepäck, wie sich bald herausstellt. „Das ist für meine Leute aus dem MV“, kündigt er einmal an, spielt dann aber die Kitsch-Single „Löwenzahn“ aus dem Jahr 2015: „Wenn du 'ne gelbe Blume siehst, die den Zement durchbricht / Dann denk an mich, änder' dich“ heißt es dort. Danach kommt, immerhin, „Mein Block“. Seine jüngeren Fans waren noch gar nicht geboren, als der Song erschien, sie feiern ihn trotzdem. Es ist der frühe Höhepunkt von Sidos Show, die ansonsten aus seinen späteren Popsongs und einem fahrig wirkenden Varieté-Programm besteht, das sich über zwei Stunden hinzieht.

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Die Stimmung erinnert dabei eher an Après-Ski-Party als an Rap-Konzert. Zwischendurch wird immer wieder „Was geht ab?“ von den Atzen gespielt, während Sido Vodka-Shots trinkt und sich vom Publikum zuprosten lässt. Sein Humor ist oft stumpf und mitunter anachronistisch, etwa wenn er kleinwüchsige Männer als „seine Wichtel“ auftreten lässt oder dicke Menschen im Publikum beleidigt, wobei er gleich noch Werbung für das Fitnessprogramm seiner Frau einfließen lässt.

„Haltet den Kindern die Ohren zu“

Negativer Höhepunkt ist eine endlose Darstellung der Weihnachtsgeschichte, von der jenseits der ersten Reihen kaum etwas zu sehen und wegen der schlecht eingestellten Mikrofone auch nicht zu hören ist. Das feierwütige Publikum wird unruhig, immer wieder skandiert es die Melodie des „Arschficksongs“, einer notorisch expliziten Single vom ersten Aggro-Album. Selbst Kurt Krömer als Weihnachtsengel kann das Ganze nicht retten. Immerhin weiß Sido die Stimmung im Raum einzuschätzen. „Vielleicht streichen wir das morgen“, kommentiert er.

Am Ende gibt der Rapper den Massen dann doch, was sie wollen, und spielt als Zugabe den „Arschficksong“. „Haltet den Kindern die Ohren zu“, instruiert er die Menge vorher. Beim Rausgehen gibt es noch Geschenke, für jeden ein Paar Weihnachtssocken, bedruckt mit Schnapsflaschen und Hanfblättern. Ein augenzwinkernder Verweis auf Sidos Gangsta-turned-Spießer-Image, der fast wieder versöhnlich stimmt.

Wieder am 22./23.12. (ausverkauft)

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