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Kultur: Sie will es wissen

Zum 80. der Theologin Uta Ranke-Heinemann

Sie liest viel, ist Bildungsbürgerin. Sucht Fehler in Büchern und Konfessionen und findet sie. Als einziges Mädchen unter 700 Gymnasiasten macht sie 1947 Abitur in Essen, konvertiert wegen des sympathischen Schulfreundes, der sie 56 Jahre lang als Ehemann begleiten wird, zur sympathischen Kirche Roms. Aus Naivität, sagt sie später. Ihr Vater wird Staatsoberhaupt, sie die erste habilitierte Theologin, dann erste katholische Theologieprofessorin weltweit. Und verliert 1987 die kirchliche Lehrerlaubnis wegen ihrer Zweifel an der „mirakulösen“ Jungfrauengeburt Jesu. Daraufhin verlässt ihr Mann die Kirche; sie selbst rühmt sich – ohne schriftlichen Bescheid! – zwar exkommuniziert zu sein, bleibt aber als „Super-Ketzerin“ Kirchensteuerzahlerin. Um zu nerven. Gegen ihren angeheirateten Neffen Johannes hat sie als PDS-Kandidatin fürs Bundespräsidentenamt kandidiert. Den Papst, einen Ex-Kommilitonen, nennt sie zärtlich „Ratzipatzi“. Den Glauben hat sie mittlerweile, sagt sie, ziemlich verloren. Auf den Himmel freut sie sich. Eine Vita wie die Umwege der Uta Ranke-Heinemann kann man nicht erfinden.

Zwar gibt es – wenige – offiziell inthronisierte Frauen im Pantheon katholischer Gelehrsamkeit. Doch mit der 1972 zur ersten Kirchenlehrerin ernannten Zuchtmeisterin mittelalterlicher Päpste, Katharina von Siena oder mit Edith Stein, der Philosophin und Märtyrerin des 20. Jahrhunderts, wird diese Ex-Professorin für Neues Testament und Alte Kirchengeschichte kaum konkurrieren. Nach ihrem Bruch mit dem Lehramt wurde für sie – Modell Küng – ein kirchenunabhängiger religionsgeschichtlicher Lehrstuhl geschaffen. So agiert sie draußen und drinnen zugleich, als konfessionelle Verkörperung des Groucho-Marx-Bonmots „Ich möchte nie Mitglied in einem Club sein, der Leute wie mich als Mitglied aufnimmt“.

Uta Ranke-Heinemann profiliert sich vor allem biografisch: durch ihren Übertritt und den weiblichen Pionierstatus. Getragen und belastet von ihrem Promi-Namen, geht sie nicht aufgrund theologischer Durchbrüche in die Kirchengeschichte ein, sondern als Dissidentin in die Zeitgeschichte. Sie attackiert – fixiert auf den Zölibat als angebliches ökumenisches Haupthindernis – die vatikanische Sexualmoral. Lanciert mit „Eunuchen für das Himmelreich“ einen Bestseller. Muss sich dafür Plagiats-Vorwürfe gefallen lassen. Wenn es um Solidaritätsbesuche in Nordvietnam, um Atomraketen oder den Kosovo geht, ertönt ihre Stimme. Nach dem Tod ihres Mannes lebt sie zurückgezogen zwischen zehntausend Büchern. Sie weiß es besser, sie will es wissen. Eine deutsche protestantische Karriere: Heute wird sie 80. Thomas Lackmann

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