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Kultur: "Sieben Hügel": Der Prophet

Am Ende zitiert er Moses. Und steht da wie ein Prophet, mit seiner nie ganz zu bändigenden Sloterdijkschen Mähne.

Am Ende zitiert er Moses. Und steht da wie ein Prophet, mit seiner nie ganz zu bändigenden Sloterdijkschen Mähne. Selten klang die Weissagung eines Philosophen so fröhlich, ja zukunftstrunken wie bei diesem Festvortrag zur Finissage der Berliner "Sieben-Hügel"-Ausstellung. Peter Sloterdijk weist seinem Publikum das Gelobte Land: das Land, in dem die "falsche Metaphysik des Seienden" überwunden und Hegels "absoluter Geist" nicht länger absolut ist. Wenn der Unterschied zwischen Mensch und Materie nicht länger existiert, wie es in der Gentechnik der Fall ist, hat das herrische Subjekt seine Herrschaft verloren. Der Menschenpark - ein Paradies.

Gelassen nimmt Sloterdijk es auf sich, seinen umstrittenen Elmauer Vortrag vom vergangenen Jahr erneut gegen die Hysterie der Kritiker zu verteidigen. Mit der Homöotechnik, wie er es nennt, geht das Humane keineswegs verloren. Schließlich wurde der Mensch durch die Technik, die er sich zunutze macht, schon immer erst richtig Mensch. Aber er machte sich auch zum Monster damit. Während die Monitore im Lichthof des Gropius-Baus die historischen Schreckensbilder zu Sloterdijks Heilsworten liefern - sei es aus "Frankenstein" oder "Metropolis" - erinnert der Philosoph daran, dass unsereins seit alters her mithilfe der Dinge über sich selbst hinauswuchs: mit bewusstseinserweiternden Drogen, mit Werkzeugen und Computern, kurz: mit all den "zivilisierenden Potenzialen der Kontextverdichtung".

Das Internet, ein Friedensstifter. Sloterdijk verteidigt den neuen Bund der "Komplexität" und der Vielwertigkeit gegen die Ressentiments der "überholten Zweiwertigkeit". Wer sich selbst erschaffen kann, ist vom strikten Subjekt-Objekt-Schema befreit. Immerhin räumt er ein, auch die Gentechnik und das Netz können zum Mittel in der Hand des Feindes werden. Aber er lässt sich seinen Glauben nicht nehmen, dass sich die offenen Märkte des 21. Jahrhunderts Herrscherlaunen nicht länger fügen. Der Weg ins Paradies mag von Gefahren gesäumt sein, aber er ist ohne Alternative. So steht er da: ein Rufer in der Wüste, umgeben von Störgeräuschen wie dem Knarren der Gitter unter den Füßen der Flaneure auf den Museums-Galerien. Man muss ihm nicht unbedingt zuhören. Man kann auch gemächlich um ihn herum durch die Ausstellung spazieren. Sloterdijk wird auch das vermutlich gefallen. Wie ein großer Junge erscheint er an diesem Abend, ein Kindskopf, der sich freut über all das neue Spielzeug. Er will es sich nicht verbieten lassen von jenen Mahnern, die seit Elmau den moralischen Zeigefinger heben. Auch im Propheten steckt eben eine Spielernatur.

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