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Porträt des Komponisten, entstanden um 1896.

© Wikipedia

Siegfried Wagner: Verachtet mir die Kleinmeister nicht

Ein Mann der Oper: Die Berliner Symphoniker ehren den Musikdramatiker Siegfried Wagner zu seinem 150. Geburtstag mit einem Konzert.

Die Idee war gut: Um in der Unübersichtlichkeit des hauptstädtischen Klassikangebots aufzufallen, wollte Peter P. Pachl das Profil der Berliner Symphoniker radikal anschärfen. Nicht mit Bürgerschreck-Musik, sondern mit vergessenen Kompositionen der Spätromantik. Kaum hatte ihn der Trägerverein des weitgehend ohne Subventionen arbeitenden Orchesters im November 2017 zum Intendanten ernannt, öffnete der Kulturmanager und Musikwissenschaftler sein Füllhorn: Ludwig Thuille, Christian Sinding, Clement Harris, Erich Wolff – wer durch die Saisonbroschüre der Symphoniker blätterte, kam aus dem Staunen nicht heraus.

Mit einer Hommage an den vor 150 Jahren geborenen Sohn Richard Wagners, den als Bayreuther Festspielleiter erfolgreichen und als Musikdramatiker ebenfalls äußerst produktiven Siegfried, sollte nun die Abo-Reihe der Symphoniker am Sonntag in der Philharmonie gekrönt werden.

Siegfrieds Frau stand Hitler nahe

Gerade dieses Projekt lag Pachl besonders am Herzen, war er 1972 doch der Gründer der Internationalen Siegfried Wagner Gesellschaft. Das Konzert fand zwar statt, doch nicht mehr unter seiner Ägide. Am 1. Mai musste Pachl seinen Posten räumen, weil der Vorstand wie auch die Musiker nicht die nötige Geduld aufbrachten für die inhaltliche Neuorientierung. Zwei, drei Jahre hätte es sicher gedauert, um mit Raritäten-Repertoire volle Häuser zu bekommen. Und so neben der Anerkennung durch die Fachleute auch eine sichere finanzielle Basis.

Sabine Völker, Pachls Nachfolgerin, will 2019/20 nun streng haushalten, mit Raritäten wie mit Aktivitäten. Mozart, Beethoven und Co. dominieren erneut die Programme, der Musikvermittlung, traditionell eine Domäne der Symphoniker, will sie viel Platz einräumen.

Auf Nummer sicher geht Völker auch beim Siegfried-Wagner-Konzert, indem sie ein Werk des von den Nazis aus dem Amt als Berliner Musikhochschuldirektor gedrängten Franz Schreker hinzufügt. Um zu zeigen, dass man die Bayreuther Nähe zu Hitler mitreflektiert. Dabei war es gar nicht der Komponist selber, der Hitler nahe stand, sondern seine Frau Winifred. Mit seinem sanften Wesen und seiner Bisexualität passte Siegfried kaum ins Raster des Regimes.

Ein Melodienerfinder

Dirigent David Robert Coleman bringt die Symphoniker unfallfrei durch die Partituren. Und doch bleibt hörbar, dass mit mehr Probenzeit hier sicher noch mehr hätte erreicht werden können. Glasklar wird aber, dass Siegfried Wagner vor allem ein Mann der Oper war. Für seine einzige Sinfonie bietet er zwar prägnante Themen auf, bleibt auf der strukturellen Ebene aber weit hinter Vorbildern wie Mendelssohn oder Brahms zurück. Weil er eben in erster Linie ein Melodienerfinder ist. Zudem hat er Gespür fürs Atmosphärische, zeichnet Naturstimmungen aber mit klareren Farben nach als sein Vater, der die feinen Schattierungen liebte.

Neugierig auf das Folgende macht das suggestive Vorspiel zu „Sonnenflammen“, und wenn Peter Zazofsky den Solopart im Violinkonzert so traumverloren spielt, als würde er ihn gerade spontan erfinden, dann trifft er damit genau den Kern des Werkes.

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