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Kultur: Signale in Sekunden

Daß Werbung auf den Punkt kommen muß, war nicht immer selbstverständlich. Als der 18jährige Lucian Bernhard 1901 nach Berlin kam, gab es auf der einen Seite die Plakatkunst eines Toulouse-Lautrec, die bereits Kultstatus erlangt hatte, auf der anderen Seite die industrielle Massenware der Druckereien, die Firmenkunden oft Blanko-Plakate anboten, in die Produkt und Werbetext einfach eingefügt wurden.

Daß Werbung auf den Punkt kommen muß, war nicht immer selbstverständlich. Als der 18jährige Lucian Bernhard 1901 nach Berlin kam, gab es auf der einen Seite die Plakatkunst eines Toulouse-Lautrec, die bereits Kultstatus erlangt hatte, auf der anderen Seite die industrielle Massenware der Druckereien, die Firmenkunden oft Blanko-Plakate anboten, in die Produkt und Werbetext einfach eingefügt wurden. Ein und dieselbe Frauenfigur warb so unter Umständen an einer Ecke der Stadt für Schokolade, an einer anderen für Putzmittel. Bernhard räumte damit auf. Firma und Produkt mußten sich klar von allen anderen unterscheiden, und dafür brauchte man eine neue, ganz eigene "Sprache".

Schon mit seinen ersten Plakaten, einer Schuhanzeige für "Stiller" und einer Werbung für "Priester-Zündhölzer", schuf Bernhard 1903 diesen modernen "Sachplakat"-Stil, der ihn schnell bekannt und wirtschaftlich erfolgreich machte. Knallige Farben und flächige, einfache Formen, die im Stadtbild auffallen, wenig Text, den der Betrachter in Sekundenbruchteilen aufnehmen kann. Das Produkt steht unverkennbar im Mittelpunkt, die Wirkung wird vom prominent plazierten, gleichbleibenden Firmen-Signet unterstützt. Lucian Bernhard bescherte der Werbewelt nichts geringeres als das Firmen-Logo und die corporate identity. Er hat als erster alle Produkte eines Unternehmens in der gleichen Handschrift gestaltet, verpackt und beworben.

So zeigt die Ausstellung "Lucian Bernhard - Werbung und Design im Aufbruch des 20. Jahrhunderts" in der Galerie am Marstall neben Plakaten (auf Emaille und Papier) und Bucheinbänden auch von ihm entworfene Produktverpackungen, Unternehmensbroschüren und sogar Aschenbecher und Feuerzeuge. Firmen-Logos wie die von Audi, Bosch und der Ufa stammen von Bernhard und wurden seither kaum oder gar nicht verändert.

Bernhards Entwürfe waren nicht nur schön, sondern vor allem auch effektiv und erhielten so eine globale Modernität, die den Deutschen 1923 nach Amerika führte. Bernhard kam nach New York, liebte die Stadt und blieb - bis zu seinem Tod 1972. Trotz seiner relativen Berühmtheit mußte er sich in den USA neu behaupten und beschäftigte sich anfangs vor allem mit Innenarchitektur. Seine typischen Poster und die kleineren, länglichen car cards, die in U-Bahnen aufgehängt wurden, machten seinen Namen schnell überall präsent, zumal seine persönliche Signatur auf keinem Plakat fehlt. Ein deutliches Zeichen dafür, daß der Name "Bernhard" ebenfalls zum Markenzeichen geworden war, das man über die Werbekampagne mitverkaufte. Schon 1909 konnte sich der Axel Junker Verlag leisten, Bücher in Einbänden von Lucian Bernhard um eine Mark teurer zu verkaufen. Die Popularität seiner Bucheinbände wie seiner Plakate lag nicht zuletzt an den Schriften, die Bernhard erfand. Ursprünglich gemalt, wurden sie von Anfang an plagiiert, weshalb er anfing, eigene Schrifttypen für den Druck zu entwickeln und patentieren zu lassen. Verschiedene Bernhard-Schriften haben bis in die dreißiger Jahre hinein das Erscheinungsbild nicht nur der Werbung, sondern auch der Zeitungs-, Zeitschriften- und Buchproduktion entscheidend geprägt. Erstaunlicherweise ist zur Zeit die "Bernhard Modern" bei Grafik-Designern wieder besonders beliebt, weil sie so zeitgemäß wirkt. Lucian Bernhard hat sie vor genau siebzig Jahren erfunden.

Galerie am Marstall, bis 29.6., täglich 11-19 Uhr, Eintritt frei. Katalog 38 Mark.

SONJA BONIN

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